Putins Aggression gegen die Ukraine

19.04.202255

Das Land wird inzwischen seit Jahrzehnten von einem Krebsgeschwür überzogen. Dieses Geschwür betrügt den Wähler, diskreditiert die Bevölkerung, zieht das Land in den Untergang. Diese Mafia hat eine seit Jahrzehnten ein System von Seilschaften, Habgier und Menschenwürdeverachtung aufgebaut und behütet es penetrant mit allen Lügen. Diese eingeschworene Bande von Heuchlern, Antidemokraten und geistlichen Leerhülsen predigt das Wasser und pumpt den Wein in den eigenen unersättlichen Schlund, heuchelt den Kummer um Sozialbenachteiligte und bedient sich schamlos deren Ängste, Gewohnheiten, Leichtgläubigkeit, Abhängigkeit und Hilflosigkeit, schmeißt um sich mit Demokratieparolen und verstümmelt demokratische Freiheiten nach eigener situativer Wohllüst, bekundet eine große Solidarität und trampelt die Menschenwürde platt, schwelgt sich in der Aura einer ihr uneigener Wertegemeinschaft und zieht die Nation in die Wertlosigkeit hinein, unterwirft sich bereitwillig der Logik des Stärkeren, diktiert den Umgangston und verachtet die oppositionelle Meinung, jammert um den Wohlstand, um nur eigene Taschen mit jedem Aas vollzustopfen, beansprucht für sich die Deutungshoheit des Staatsräsons und bestiehlt den Staat, begeht den Landesverrat und entmündigt den Bürger. Wann wird dieses Land die hässliche Fratze und die wahre Geschichte der SPD erkennen und sich von dem Joch der korrupten Parteibossen befreien?

18.04.202254

Um das wahre Profil des Bundeskanzlers zu eruieren, höre man der Ansprache von Christian Lindners Ansprache vom 24.11.2021:

Eine starke Führungspersönlichkeit, die über Erfahrung und Professionalität verfügt, dieses Land in eine gute Zukunft zu leiten … innere Haltung … verfügt über ein inneres Geländer, um aus einer klaren Werthaltung heraus dieses Land nach vorne zu führen … um weit mehr Menschen zu repräsentieren, als nur sozialdemokratisch, grün oder liberal gewählt haben … Deshalb wird Olaf Scholz ein starker Kanzler der Bundesrepublik Deutschland sein.

Und kehre jene in das Gegenteil um, also: schwache bzw. keine Führungspersönlichkeit, dunkle Zukunft für dieses Land, kein Geländer, keine klare bzw. gar keine Werthaltung, repräsentiert nur sein eigenes Nichts, der schlimmste Kanzler der Bundesrepublik, der erste Taugenichts und Schande für dieses Land.

Zu seiner Verteidigung kann man lediglich zufügen: Er ist zwar die durch die Unauffälligkeit die auffälligste, aber nicht die einzige aufgeblasene Lusche in der Mafia von Genossen der Bossen. Selbstredend hat diese illustre selbstverliebte geschlossene Gesellschaft nicht mit Willy Brandt, Philipp Scheidemann, geschweige denn Wilhelm Liebknecht und Ferdinand Lassalle nichts gemeinsam.

17.04.202253

Nieder mit den Waffen! ist ein vielversprechender Aufruf der Demonstranten. Jetzt müssen die Ostermarschierer nur noch diesen Appell konsequent umsetzen: Erstens, um vom Rezipienten gehört zu werden, in Moskau oder zumindest in Russland mit solchen Slogans und natürlich in der russischen Sprache verfasst demonstrieren. Zweitens, damit die russischen Waffen schweigen, die Ukraine mit allen Mitteln unterstützen. Und drittens, um den Frieden zu sichern, Russland demilitarisieren. Also, eigentlich eine bekannte und erfolgreiche Handlungsanweisung, die 1945 in Bezug auf das Dritte Reich angewandt wurde. Dann haben wir Friede, Freude, Eierkuchen, glückliches Ostern, Schulterklopfen für die eigene Leistung.

Nieder mit den Waffen! ist ein vielversprechender Aufruf der Demonstranten. Jetzt müssen die Ostermarschierer nur noch diesen Appell konsequent umsetzen: Erstens, um vom Rezipienten gehört zu werden, in Moskau oder zumindest in Russland mit solchen Slogans und natürlich in der russischen Sprache verfasst demonstrieren. Zweitens, damit die russischen Waffen schweigen, die Ukraine mit allen Mitteln unterstützen. Und drittens, um den Frieden zu sichern, Russland demilitarisieren. Also, eigentlich eine bekannte und erfolgreiche Handlungsanweisung, die 1945 in Bezug auf das Dritte Reich angewandt wurde. Dann haben wir Friede, Freude, Eierkuchen, glückliches Ostern, Schulterklopfen für die eigene Leistung.

16.04.202252

Allein schon aus historischen Gründen dürfen wir uns nicht einmischen, plappern Ostermarschierer dem übersiebzigjährigen selbstentschuldigenden Narrativ der offiziellen Propaganda in der Bundesrepublik. Seit Überjahren dienen sich die Helfershelfer aus dem deutschen Kabinett und der deutschen Wirtschaft dem Putins Regime an, um später behaupten zu können, wir können uns die Freiheit gar nicht leisten, so verstrickt sind wir inzwischen, wer hätte das gedacht… Fragt sich nur, wenn Deutschland doch so ein friedliches Land sein soll, warum beruft sich das Kabinett als Erklärung für unterlassene Waffenhilfe an die Ukraine auf die eigene Landesverteidigung? Wozu rüstet Deutschland denn auf, wozu braucht es denn Waffen, warum ist es in der NATO, wo es sich doch aus Militärbündnisses mit allen Konsequenzen raushalten sollte? Ist aus historischen Gründen ein aufgerüstetes Deutschland kein Risiko für Deutschland, sollte es sich nicht aller Waffen entledigen, bevor es sich und die anderen verletzt? Wenn der Glaube an die Mittel der Diplomatie so stark ist, warum hält dann Russland — trotz oder grade wegen doch so oft selbstgepriesenen zahlreichen diplomatischen Anstrengungen — die Halbinsel Krim und Teile Ostukraine seit acht Jahren immer noch besetzt? Und fühlt sich diplomatisch sogar bestätigt genug, um nun sogar von westlichen Staaten die diplomatische Anerkennung des Völkerrechtbruchs zu fordern?

Mit der Passion und Intention Christi haben die Osterhasenmärsche wahrlich gar nichts zu tun. Es ist keine Nächstenliebe, sondern Selbstsucht, Feigheit und Ignoranz. Christus wird im Land der Eitelkeit, Völlerei und Trägheit nicht auferstehen.

Das Aufrüsten und Hamstern hierzulande hat dennoch ihre Berechtigung. Deutschland wird in der schweren Stunde niemand helfen wollen und auch nicht müssen, sondern es mit seinen eigenen Parolen überzeugen und mit der Aufzählung von diplomatischen Bemühung helfen. Niemand wird einem Volk helfen wollen, das selbst nicht weiß, was es ist. Allein schon aus historischen Gründen.

15.04.202251

Für den Frieden und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Wenn wir Waffen dort in dieses Land schicken, dann sterben immer noch Menschen. Wer sich nicht verteidigen kann, dann ist es vorbei, dann muss man mit diplomatischen Sachen an die Sache ran gehen. Das kann doch nicht funktionieren. Am Ende werden wir reingezogen. Der Krieg wird immer schlimmer. Es ist doch keine Lösung. Mein Gott! Es kann sein, dass Putin irgendwann sagt, dass es das Überschreiten der roten Linie. Alles O-Ton aus den ARD-Tagesthemen von sogenannten Ostermärschen. Konsumenten, Besserwisser, Arschkriecher, Angsthasen und Ängstestreuer, um Putins Wohlwollen besorgte sogenannte Pazifisten und vermeintlich Friedensdemonstranten haben nicht zu entscheiden, ob die Ukraine kann, will und wird.

Zur historischen Einordnung: Die Ostermärsche fanden ursprünglich in dem Land statt, mit dessen Politik die Demonstranten nicht einverstanden waren. Sie richteten sich mit direkten Ansprachen und Appellen an die eigene Regierung und die Regierung des Aggressorlandes. Das jämmerliche, um das eigene Wohlüberfluss besorgte Demonstrantenaufgebot ist das blanke Gegenteil davon. Sie riskieren nichts. Sie verballhornen den Sinn und Zweck eines Friedens. Sie demonstrieren für den Triumph der Diktatur, der gleichgeschalteten Sklavenmob, der Gewalt, der Widerstandslosigkeit, des dunklen Lords.

Und schon wieder leistet der Biedermeier eine willkommene Hilfe für die russische Propaganda. Putin will die ukrainische Nation vernichten, weil er panische Angst vor ihrem Mut, Widerstand und Selbstbestimmungswille hat. Die deutsche Nation verachtet er hingegen. Und was noch schlimmer ist, der um seine Ostereier besorgte deutsche Gutbürger will diese Verachtung. Damit Putin dieses harmloses willenloses mit seinem Futtertrog zufriedenes nettes friedliches Kaninchen nicht als denkfähiges Lebewesen wahrnimmt, in Prinzip wie die Biomasse im eigenen Land, nur halt im schwarzrotgoldenen Außengehege, wo es durch die Eigendisziplin und freiwillige vorausschauende Untergebenheit weniger Aufsicht braucht.

14.04.202250

Bloß keine Eskalation! ist ein beliebtes Leitmotiv, um sich risiko- und verantwortungslos als Friedensstifter rühmen zu lassen und eine Entschuldigung, nichts zu machen: Keine Sanktionen, keine Rüstungsexporte, keine Aufnahme in die NATO etc. Seltsam nur, dass Russlands Taten und Drohungen und immer neue Verbrechen nicht als Eskalation verstanden wird, sondern als eine unaufgeregte legitime Gewalt? Wenn das keine Eskalation sein soll, was versteht man hierzulande unter dem Begriff? Wen kümmert es in Europa überhaupt noch, worum sich das Kummerland namens Bundesrepublik Deutschland kümmert? Die Amerikaner, die Briten, die Ukrainer, die Osteuropäer, die Russen, die Chinesen haben das Interesse an Scholz und Co. verloren, wollen auch nicht länger ihre Energie für Überzeugungsansprachen vergeuden.

Das heißt aber nicht, dass Deutschland Hände in den Schoß unbestraft legen und stillschweigend mit ihrer Politik der Schande weitermachen darf. So wie Steinmeier seine Vergangenheit einholt, wird man die deutschen Nichthaltung und das Paktieren mit Putin nach dem Motto jetzt sind wird so verstrickt und abhängig, so dass wir zwar wollen, aber gar nicht raus können nicht vergessen. Die deutsche Regierung mag vielleicht die eigene Bevölkerung für dumm verkaufen und mit Schreckensіzenarien überwerfen. Die Partner im Westen wie im Osten mögen zwar lange geduldig sein, aber nicht dumm.

13.04.202249

Steinmeier ist beleidigt. Die deutsche Regierung ist brüskiert. Ein Affront für das höchste politische Amt. Dabei habe das deutsche Kabinett sich doch so oft verdient gemacht, als es für Putin wieder und wieder prostituiert und die Ukraine verkauft hat. Freilich nennt es sich in der Sprache hochkarätiger Heuchler diplomatische Anstrengungen, dem Frieden eine Chance geben, Gepflogenheiten bewahren, ja, zynisch sogar um irgendwas von der Ukraine dank deutscher Bemühungen zu retten. Wir sehen das Ergebnis dieses jahrelangen widerwärtigen Engagement deutscher Diplomaten. Und offenbar machten doch so gerne betont häufige Besuche und Kontakte mit dem russischen Präsidenten deutsche Diplomaten nicht schlauer, sondern dümmer und berechenbarer für Putin.

Was wollte denn Steinmeier in Kiew erreichen, außer seiner eigenen Rehabilitation und warme leere Worte verteilen? Solidarität im Sinne von Solidaritätsversprechen aussprechen und im Anschluss darauf dem Heimpublikum ebendiese Verdienste verkaufen? Bequem und entschuldbar ist es ja auch: zwar ein Staatsoberhaupt, aber ohne Befugnisse, präsentabel und unverbindlich. Die Ausladung des Bundespräsidenten kommt Scholz nur gelegen. Jetzt wo der Bundespräsident ausgeladen wurde, darf der Bundeskanzler mit dem Verweis auf Eklat kneifen.

Wenn das Amt des Staatsoberhaupts in der Bundesrepublik sakraler, unfehlbarer und unantastbarer als der Papst gehütet und geschätzt sein soll, unabhängig von der Person, die das Amt bekleidet, warum wundern wir uns eigentlich noch, dass der russische Präsident eine Unterstützung unter seinen Untertanen genießt? Ausladung Steinmeiers betrachtet Habeck als Ausladung Deutschland, Steinmeier ist Deutschland — solche Parolen rufen schmerzhafte Erinnerungen an Gepflogenheiten im Dritten Reich. Während Mützenich die Ukraine gar als Objekt deutscher Innenpolitik betrachtet.

Dafür plappert ein Nachrichtensprecher der russischen Propaganda wieder mal nach: Azov, das in Mariupol den Widerstand leistet und die sich vorwiegend aus häufig russischsprachigen Ostukrainer rekrutiert, solle eine ultranationalistische Militäreinheit sein.

Scholz wolle nach eigenen Angaben die Waffenlieferungen mit anderen Europäern abstimmen. Schon seit Tagen, wenn nicht bereits Wochen. Kein Wunder, denn niemand will auf Deutschland warten und schon gar nicht mit Scholz abstimmen, was man so alles nicht darf. Deutschland kann nicht für die Ukraine verhandeln, schon gar nicht für die freie Welt. Weil es dazu nicht im Stande ist.

Wenn die Bundesregierung noch einen internationalen Schaden von Deutschland abwenden will, dann soll sie liefern, ohne oberpeinliche Diskussionen, ob es sich um schwere oder Offensivwaffen handelt, nicht dafür auf das Erlaubnis von Putin warten, keine Fragen an die Ukrainer stellen, wie lange sie sich noch verteidigen können und ob sie den Umgang mit den Waffen verstehen, den Aggressor beim Namen nennen. Sonst wird Deutschland nicht nur endgültigst sein Ansehen verlieren, sondern letztendlich auch seine Wirtschaftskraft.

12.04.202248

Wieviel naiver Blindheit und unbekümmerten Dummheit können Journalisten hierzulande eigentlich noch auftischen? Frank Platzberg fragt nach über drei Tagen immer noch, was es denn eigentlich mit dieser Aufschrift für Kinder auf dem Projektil, das für den Tod von 57 Zivilisten in Kramatorsk verantwortlich ist, auf sich hat. Unglaublich, wie man nur so sträflich dämmlich sein kann…

Diese Aufschrift bedeutet nur genau das! Dass irgendein Moderator oder Berichterstatter genau diese Frage stellt, von der eigentlichen Tragödie ablenkt und zum Nachgrübeln verleitet. Ansonsten bedeutet dies rein und absolut und überhaupt gar nichts. Man braucht dafür lediglich einen Pinsel und kleines bisschen Farbe. Es hätte alles mögliche stehen können: für Moskau, für Berlin, für Alles, für Pandemie, ihr wisst schon, wofür etc. p.p. Ein klassisches Beispiel der Desinformation und eines Vieldeutungserregers und obendrauf ein äußerst billiges. Aber es kommt noch schlimmer: Der gefragte deutsche Korrespondent versucht es in allem Ernst der Aufschrift eine Bedeutung zu geben, mit Versionen, die auch jeder ungebildeter Russe oder Nichtrusse aufzählen kann. Warum nicht gleich eine Entschuldigung für Putins Krieg präsentieren. Ach ja, das machen ja solche Putinversteher wie Krone-Schmalz und Precht bereits.

Nachgrübeln, bedeutungsvoll scheinbare Aufklärung betreiben, um nicht ja den Eindruck erwecken, die Einladung zur Show wäre umsonst, ist eine Lieblingsbeschäftigung in Talk-Runden im deutschen Fernsehen. Verstand ist aber wahrlich keine deutsche Tugend. Und schon wieder hat Putins Propaganda dank deutscher Gratishilfe gepunktet.

11.04.202247

Wir kennen inzwischen ausführlichst Gräueltaten der russischen Horde. Wir sind erschüttert, entsetzt, gealtert. Niemand zweifelt an Trauer, Katastrophe und Mitleid. Deswegen sollten wir Gräueltaten weiter dokumentieren, aber zugleich mit der eigenen psychischen Zerstörung aufhören. Das darf Putin nicht bekommen. Die Ukraine und die Ukrainer sind stärker. Europa und die freie Welt mag zwar geeint sein, aber es darf sich nicht in eine Ecke verkriechen, sich verbarrikadieren und hoffen, dass die Bestie das Interesse verliert oder müde wird.

10.04.202246

Es ist nachvollziehbar, wenn die NATO sich Gedanken über die atomare Bedrohung Gedanken macht. Es ist auch vernünftig, den Dritten Weltkrieg nicht zu wünschen, wer wünscht sich das schon? Ebenso ist nicht unverständlich, die Fragen der Journalisten nach dem NATO-Einsatz mit einer nicht direkten Einmischung — sprich: volle Pulle nach Artikel 5 — in den Konflikt zu beantworten. Es ist aber eine andere Sachen, Bedenken, Befürchtungen, Warnungen, mögliche und unmögliche Konsequenzen so offensichtlich immer wieder nach Putins Szenario und Gusto mit Schreckensszenarien zu verbalisieren. Das freut nur Putin'sche Propaganda und bietet ihr Anlass zu Sündenbockverklärung. Russland hat die Ukraine angegriffen. Die Ukraine verteidigt sich. Der Westen unterstützt sie. Wir wissen schon längst, dass Putin oder seine Satrapen Lügen erzählt und nur zum Einschüchtern und Verwirrung dient. Wir müssen uns für seine Worte nicht entschuldigen, ja, auch nicht öffentlich interpretieren und weiter rätseln. Wenn wir den gerechten Krieg gegen Russland führen, so darf uns Putin den Krieg und den Frieden nicht noch diktieren. Mehr Taten statt Ängste. Vorkehrungen zu treffen kann man und angesichts der Willkürlichkeit der Politik soll man es auch. Aber sich nicht von Angst leiten zu lassen, schon gar Angst zu verbreiten.

09.04.202245

Den Krieg führt Kreml bereits mit der falschen Wortwahl. Und zumindest westliche Medien dürfen diese Wortwahl nicht einfach so nachahmen: Die NATO erweitert sich nicht nach Osten, sondern nimmt Länder auf, die sich aus freien Stücken dem Bündnis beitreten möchten. Der Krieg dauert seit acht Jahren und nicht erst Februar dieses Jahres. Peskow oder wer auch immer darf nicht ungehindert über den russischen Krim sprechen, weil es keinen solchen gibt. Russland ist kein Nachfolgerstaat der Rus, höchstens ein Splitter davon.

Jeder, der die Zugehörigkeit der Krim und sonstiger Gebiete zur Ukraine in Frage stellt, kann gleich mit nicht minder validen Argumenten die Restitution des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937/38 fordern.

08.04.202244

Während andere Länder Schweden, Finnland und Georgien in die NATO willkommen heißen, schielt Deutschland vor Angst zu Kreml. Während andere längst schwere Waffen liefern, denkt sich Deutschland, ob es eine Kriegspartei ist. Während der Westen auf den Sieg der Ukraine setzen und hinarbeiten, stellt Deutschland fest, dass es die versprochenen Waffen gar nicht liefern kann.

Hat sich Deutschland in Europa verirrt? Und bremst sogar die anderen Länder ab? Hat sich Großbritannien womöglich deshalb von der Europäischen Union verabschiedet, weil sie mit Deutschland nicht zwingend europäisch ist und nur stört? Ist NATO ohne Deutschland besser dran?

07.04.202243

Anderes Beispiel bei Maybrit Illner: Man diskutiere ausgiebigst über deutsche Innenpolitik, wenn es um die konkrete Hilfe für Ukraine geht. Erinnere die Ukrainer mit leidvollen Gesichtsausdruck über ihr Leid und warne sie indirekt vor noch mehr Leid, wenn sie den Widerstand weiter leisten.

Was hätten wir alles besser machen sollen, als wir es noch konnten. Und weil wir alle anderen glauben lassen wollen, dass es zu spät ist, machen wir einfach weiter, was bislang so bequem war. Wir wissen nicht, ob der Krieg zu gewinnen ist. Und wenn schon, dann wann. Probleme aufzählen, statt Lösungen zu suchen. Also geben wir uns doch gleich geschlagen. Mit anderen Worten, Putins Kalkül munter weiter bedienen, denn der Feige hat mehr Chance zu überleben.

Recht hat Kateryna Mishchenko: Den Krieg gewinnt man mit Abschätzungen der Gewinnaussichten.

06.04.202242

Erfolgsrezept eines deutschen Politikers bei einer Talk-Show: Demonstriere Bestürzung, beantworte nicht die Frage von Markus Lanz, sondern erkläre weit und breit irgendwas, unterbreche den Moderator, bevor er wieder seine Frage nach Öl stellt, unterbreche auch den ukrainischen Vertreter Alexander Rodnyanskyj, bevor er plastisch erklärt, dass das fehlende Geld ja sehr wohl die russische Kriegskasse beeinträchtigt, äußere Bedenken, täusche Nachdenklichkeit vor. Und lobe immer wieder den deutschen Kanzler, den Bruch mit der bisherigen Pazifismus, die europäische Einigkeit, die verabschieden Sanktionen, den ukrainischen Widerstand. Typisch deutscher Politiker, typisch SPD, typische Lars Klingbeil.

05.04.202241

Deutschland muss sofort aufhören, sich um das Wohlbefinden und die Laune von Putin zu sorgen. Und schon gar nicht andere NATO-Länder, geschweige denn die Ukraine, mit ihren Einschätzungen belästigen. Zum Glück nimmt da Deutschlands Bedenken niemand wahr.

04.04.202240

Um die russische Antwort auf Vorwürfe zum Kriegsverbrechen irgendwie zu verstehen, hilft die folgende Strophe:

Умом Россию не понять,
Да и не стоит утруждаться.
У ней особенная стать —
Кругом насрать и не признаться.

Das Original von Fjodor Tjuttschew aus dem Jahre 1866 lautet:

Умом Россию не понять,
Аршином общим не измерить.
У ней особенная стать —
В Россию можно только верить.

Klingt beim ersten Hören zwar anders. Ich bin mir sicher, der große russische Schriftsteller meinte das gleiche, ist halt der Formulierungstechnik aus dem 19. Jahrhundert geschuldet.

03.04.202239

Die westlichen Politiker sprechen vom Kriegsverbrechen. Selenskyj nennt es ein Völkermord. Übertreibt er? Meint er damit doch lediglich das Kriegsverbrechen, nur halt besonders brutal und zahlreich?

Was der ukrainische Präsident meint, ist was er sagt. Es ist ein Völkermord. Ja, der Begriff von Genozid ist noch treffender. Es geht hier nicht nur um die Vernichtung einer Ethnie. Nicht weil man sie nicht mag oder weil man einen Platz zur eigenen Vermehrung braucht. Der Genozid offenbar eigene Ängste.

Diese Angst ist ein jahrhundertlanges Bestreben und, wenn man so will, Überlebensinstinkt. Die Angst des jeweiligen Kremlherrschers, die er gerne und ausgiebig an seine Untertanen verteilt, vor den Ukrainer ist tiefgründlich. Völlig fremde Völker bereiten dagegen keine Ansgt, weil sie eben fremd sind. Die Ukrainer sind aber gefährlich. Sie sind den Russen so ähnlich und doch so anders. Sie wohnen nebenbei und doch lassen sie sich in die russischen Gesellschaft nicht integrieren. Sie freunden sich sogar mit Polen und anderen Europäern an, und zwar ohne Zwang, das ist antirussisch. Sie sprechen auch Russisch und doch sprechen sie noch eine andere Sprache. Sie wollen dem russischen Khan nicht unterstehen. Sie haben nicht mal ihren eigenen Khan. Das würde sie zumindest greifbarer machen. Aber sie wollen nicht beherrscht werden. Sie haben ihren eigenen Willen, Verstand und insbesondere Sturrsinn gegen das russländische Modell. Sie könnten den Russen schließlich ihre eigene Geschichte klauen. Sie könnten das russische Volk sogar mit ihrer Unkonformität infizieren. Das könnte das Sklavensystem in Russland untergraben. Was ist, wenn die Russen auf die Idee kommen so wie die Ukrainer zu sein. Dabei sollte es genau umgekehrt eingestellt werden.

Also müssen die Ukrainer vernichtet werden, bevor Russland ein staatszersetzendes Minderwertigkeitskomplex entwickelt und für sich untypische Besinnung findet, bevor das urrussische Mythos von der Notwendigkeit der starken Hand zum rücksichtslosen Regieren und Beherrschen und überhaupt Russland als reine Seele mit göttlichem Mandat als Mythos entlarvt wird. Die Fronde ist das Ende des Mütterchens Russland.

02.04.202238

Das Vorgehen der russischen Streitkräfte sind nicht deswegen brutal, weil sie an der Professionalität scheitern. Brutalität, Lüge und Wodka ist die russische Professionalität: Morde, Vergewaltigungen, Raub und vor allem Unbestraftheit.

Die westlichen Beobachter hegen vor Entsetzung zuweilen zweifeln, ob die Gräultaten tatsächlich passiert sind. Menschenrechtorganisation hinterfragen die Logik und den Nutzen hinter diesen Taten. Warum sollten die Russen das machen? Warum so offensichtlich? Warum so oft?

Die Logik und der Nutzen gibt es allerdings sehr wohl. Die pure Logik des Terrors: ständige Angst in der Bevölkerung wegen Willkür sähen, die Zivilisten vor allem psychisch zu brechen, alles bestreiten, um nur mehr zu demoralisieren, indem man einfach so alles mögliche bestreiten und erfinden darf, weil man kann. Besonders beliebt ein Blanko-Check für die Heiligkeit: Der russische Soldat kann per Definition keiner Seele was antun. Na, weil Russland heilig ist und von Gott (durch den Zar( persönlich regiert wird. Das System, dass seit Jahrhunderten funktioniert. Und weil es über Jahrhunderte funktioniert, so muss es wohl so richtig sein, lautet die Erklärung an das eigene Volk.

Es stellt sich die Frage, ob die Russen der eigenen Regierung dies alles tatsächlich abkauft. Natürlich nicht. Jedenfalls nicht im Sinne der eigenen Kritikfähigkeit und vor allem -willigkeit. Wir glauben an Putin. Was die Welt über uns denkt, wollen wir gar nicht wissen. An irgendwelchen Fakten wollen wir nicht glauben. Der Glaube ist ein stärkeres Argument als Empirie. Der Führer sagt, wir folgen, weil wir Patrioten sind. Russland hat immer recht, weil es stets am Ende recht behalten hat. Bequem, flexibel anwendbar und gewissermaßen uneigennützlich, sondern für die große allumfassende einzig wahre russische Wahrheit.

Und wenn der Krieg am Ende doch scheitert? Man hat uns betrogen. Wir wurden belogen. Der Westen hat uns den Krieg gegen ein Brudervolk angezettelt. Unsere Propagandisten sind in Wahrheit aus dem Westen gelenkt. Putin ist ein amerikanischer Agent. Wir sind unschuldig. Wir wussten von nichts, wie denn. Jetzt ist alles gut, endlich wurden uns die Augen geöffnet. Das russische Volk ist ein gotterwähltes Volk, das war alles eine Prüfung vom Satan und deswegen notwendig. Auch die nächste Prüfung werden wird überstehen. Es dreht sich stets alles um Russland. Der Rest der Welt ist nur ein notwendiges Übel. Oder auch Russland, nur dass die anderen noch nichts davon wissen.

01.04.202237

Hitler-Deutschland hätte nicht besiegt sein können, wenn die USA lediglich ihr eigenes Territorium innerhalb des eigenen Territoriums verteidigen würde. Hätten die Alliierten auf die Überschreitung der Grenzen des Deutschen Reichs in den Grenzen zum 31.08.1939 verzichtet, hätte Hitler ungehindert den Krieg immer wieder neu entfacht, Menschen in vorübergehend okkupierten Territorien getötet, verschleppt, geraubt und verbrannte Erde hinterlassen. Und wir machen uns Sorgen, dass der Krieg keineswegs auf das russländische Grenzterritorium überschwappen darf und erlauben den Russen unbestraft und ungehindert sich über die Grenze zurückzuziehen, um sich neu zu organisieren.

31.03.202236

Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht an den Führer
Geheime Kommandosache
Berlin, 20. Mai 1938
Chefsache. Nur durch Offizier.
Entwurf für die neue Weisung Grün

1. Politische Voraussetzungen.

Es liegt nicht in meiner Absicht, die Tschechoslowakei ohne Herausforderung schon in nächster Zeit durch eine militärische Aktion zu zerschlagen, es sei denn, daß eine unabwendbare Entwicklung der politischen Verhältnisse innerhalb der Tschechoslowakei dazu zwingt oder die politischen Ereignisse in Europa eine besonders günstige und vielleicht nie wiederkehrende Gelegenheit dazu schaffen.

2. Politische Möglichkeiten für den Beginn der Aktion.

Ein Überfall ohne geeigneten äußeren Anlaß und ohne genügende politische Rechtfertigung kommt mit Rücksicht auf die möglichen Folgen eines solchen Handelns in der jetzigen Lage nicht in Betracht. Die Aktion wird vielmehr ausgelöst werden entweder

a) nach einer Zeit zunehmender diplomatischer Auseinandersetzungen, die mit militärischen Vorbereitungen verknüpft sind und die dazu genützt wird, die Kriegsschuld dem Gegner zuzuschieben. Aber auch eine solche dem Krieg vorausgehende Spannungszeit wird durch plötzliches, dem Zeitpunkt und dem Umfang nach möglichst überraschendes militärisches Handeln unserseits ihren Abschluß finden, oder

b) durch blitzschnelles Handeln auf Grund eines ernsten Zwischenfalls, durch den Deutschland in unerträglicher Weise provoziert wird und wenigstens einem Teil der Weltöffentlichkeit gegenüber die moralische Berechtigung zu militärischen Maßnahmen gibt.

Militärisch und politisch günstiger ist der Fall b.

3. Folgerungen für die Vorbereitung des Falles "Grün", die den unter 2 a und b genannten Möglichkeiten Rechnung tragen muß.

a) Für den Waffenkrieg kommt es darauf an, schon in den ersten vier Tagen eine militärische Lage zu schaffen, die interventionslüsternen gegnerischen Staaten die Aussichtslosigkeit der tschechischen militärischen Lage vor Augen führt sowie den Staaten, die territoriale Ansprüche an die Tschechoslowakei haben, einen Anreiz zum sofortigen Eingreifen gegen die Tschechoslowakei gibt.

Adolf Hitler im Berliner Sportpalast, 26.09.1938

Es ist die letzte territoriale Forderung, die ich in Europa zu stellen habe, aber es ist die Forderung, von der ich nicht abgehe und die ich, so Gott will, erfüllen werde. [...]

Und nun haben endlich England und Frankreich an die Tschechoslowakei die einzig mögliche Forderung gerichtet. das deutsche Gebiet freizugeben und an das Reich abzutreten. [...]

Wenn jemand 20 Jahre lang eine solche Schande, eine solche Schmach und so ein Unglück erduldet, wie wir es getan haben, dann kann man wirklich nicht bestreiten, daß er friedliebend ist. Wenn jemand diese Geduld besitzt, wie wir sie an den Tag gelegt haben, kann man wirklich nicht sagen, daß er kriegslüstern sei. Denn schließlich hat Herr Benesch 7 Millionen Tschechen, hier aber steht ein Volk von über 75 Millionen! [...]

Ich habe nur weniges zu erklären: ich bin Herrn Chamberlain dankbar für alle seine Bemühungen. Ich habe ihm versichert, daß das deutsche Volk nichts anderes will als Frieden; allein, ich habe ihm auch erklärt, daß ich nicht hinter die Grenzen unserer Geduld zurückgehen kann.

Ich habe ihm weiter versichert und wiederhole es hier, daß es wenn dieses Problem gelöst ist ist — für Deutschland in Europa kein territoriales Problem mehr gibt! [...]

Und ich habe ihm weiter versichert, daß in dem Augenblick, in dem die Tschechoslowakei ihre Probleme löst, das heißt, in dem die Tschechen mit ihren anderen Minderheiten sich auseinandergesetzt haben, und zwar friedlich und nicht durch Unterdrückung, daß ich dann am tschechischen Staat nicht mehr interessiert bin.

Und das wird ihm garantiert! Wir wollen gar keine Tschechen! Allein, ebenso will ich nun vor dem deutschen Volk erklären, daß in bezug auf das sudetendeutsche Problem meine Geduld jetzt zu Ende ist!

Hitlers Brief an Chamberlain, 27.09.1938

Die Regierung in Prag glaubte behaupten zu können, daß die Vorschläge meines Memorandums vom 23. September weit über die von ihr gegenüber der britischen und französischen Regierung gemachten Zugeständnisse hinausgingen und daß ihre Annahme die Tschechoslowakei jeder Gewähr für ihre nationale Existenz berauben würde. Diese Behauptung wird damit begründet, daß die Tschechoslowakei große Teile ihres vorbereiteten Verteidigungssystems aufgeben solle, bevor sie noch anderweitige Vorkehrungen für ihren militärischen Schutz habe treffen können. Dadurch würde automatisch die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit des Landes beseitigt. Auch würde der von mir vorgeschlagene Bevölkerungsaustausch in eine panikartige Flucht ausarten.

Ich muß offen aussprechen, daß ich für diese ganze Argumentation kein Verständnis aufzubringen vermag, ja daß ich sie nicht einmal als ernst gemeint ansehen kann. Die Regierung in Prag geht einfach an der Tatsache vorbei, daß die sachliche Gestaltung der Endregelung des sudetendeutschen Problems nach meinen Vorschlägen in keiner Weise von einem einseitigen deutschen Ermessen oder von deutschen Gewaltmaßnahmen, sondern einerseits von einer freien und unbeeinflußten Abstimmung, anderseits in denkbar weitem Umfang von noch zu treffenden deutsch-tschechischen Einzelabreden abhängig gemacht wird. Sowohl die genaue Festlegung der Gebiete, in denen abgestimmt werden soll, als auch die Durchführung der Abstimmung und die auf Grund ihres Ergebnisses zu ziehende deutsch-tschechoslowakische Grenze sind nach meinen Vorschlägen jeder einseitigen Bestimmung durch Deutschland entzogen. Auch alle sonstigen Einzelheiten sollen den Vereinbarungen einer deutsch-tschechischen Kommission vorbehalten bleiben.

Gegenüber dieser Konstruktion meiner Vorschläge und gegenüber der von der Tschechoslowakei sachlich zugestandenen Abtrennung des sudetendeutschen Siedlungsgebiets stellt die von mir geforderte sofortige Besetzung durch deutsche Kontingente nichts als eine Sicherungsmaßnahme dar, die eine schnelle und glatte Herbeiführung der endgültigen Regelung gewährleisten soll. Diese Sicherungsmaßnahme ist unerläßlich. Wenn die deutsche Regierung darauf verzichtete und die ganze weitere Behandlung des Problems einfach auf den Weg gewöhnlicher Verhandlungen mit der Tschechoslowakei verwiese, würden die augenblicklichen unerträglichen Zustände im sudetendeutschen Gebiet, deren Charakter ich in meiner gestrigen Rede vor dem deutschen Volk gekennzeichnet habe, noch unabsehbare Zeit hindurch andauern. [...]

Aus meinem Memorandum ergibt sich, daß sich die deutsche Besetzung nur bis zu der angegebenen Linie erstrecken wird und daß die endgültige Festsetzung der Grenzen in der von mir vorstehend schon bezeichneten Weise erfolgen soll. Die Regierung in Prag hat kein Recht, zu bezweifeln, daß sich die deutschen militärischen Maßnahmen in diesen Grenzen halten werden. Will sie trotzdem solche Zweifel geltend machen, so mag die britische und eventuell auch die französische Regierung noch eine ausdrückliche Gewähr für die strikte Innehaltung meiner Vorschläge übernehmen. Ich kann mich im übrigen darauf beschränken, auf meine gestrige Rede zu verweisen, in der ich eindeutig erklärt habe, daß ich jeden Zugriff auf das tschechische Gebiet ablehne und daß ich unter den von mir angegebenen Voraussetzungen sogar bereit bin, für den Restbestand der Tschechoslowakei eine förmliche Garantie zu übernehmen. Von einer Bedrohung der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei kann also nicht im entferntesten die Rede sein. Ebenso falsch ist es, von einer wirtschaftlichen Gefährdung zu sprechen. Es ist im Gegenteil eine notorische Tatsache, daß die Tschechoslowakei nach Abtrennung des sudetendeutschen Gebietes einen gesünderen und einheitlicheren Wirtschaftskörper darstellen wird als vorher.

Wenn sich die Regierung in Prag schließlich auch wegen des Schicksals der tschechischen Bevölkerung in den zu besetzenden Gebieten besorgt zeigt, so kann ich das nur mit Verwunderung aufnehmen. Sie kann sicher sein, daß von deutscher Seite nicht das geringste geschehen wird, was diesen Tschechen etwa ein ähnliches Schicksal bereiten könnte, wie es infolge der tschechoslowakischen Maßnahmen über die Sudetendeutschen hereingebrochen ist. Es versteht sich für mich ganz von selbst, daß alle deutschen Stellen jede Härte gegen die tschechische Bevölkerung vermeiden werden.

Weisung des Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht
Geheime Kommandosache
Berlin, den 21. Oktober 1938
OKWL Ia Nr. 236/38 g. Kdos. Chefs.
2. Erledigung der Rest-Tschechei

Es muß möglich sein, die Rest-Tschechei jederzeit zerschlagen zu können, wenn sie etwa eine deutsch-feindliche Politik betreiben würde.

Die hierfür von der Wehrmacht zu treffenden Vorbereitungen werden ihrem Umfange nach erheblich geringer sein, als s. Z. für "Grün"; sie müssen dafür aber, unter Verzicht auf planmäßige Mobilmachungsmaßnahmen, eine ständige und wesentlich höhere Bereitschaft gewährleisten. Organisation, Gliederung und Bereitschaftsgrad der dafür vorgesehenen Verbände sind schon im Frieden derartig auf Über-fall abzustellen, daß der Tschechei selbst jede Möglichkeit planmäßiger Gegenwehr genommen wird. Das Ziel ist die rasche Besetzung der Tschechei und die Abriegelung gegen die Slowakei. [...]

gez. Adolf Hitler für die Richtigkeit Keitel

16.03.1939

Im Namen des Führers und Reichskanzlers wird hiermit der Erlaß vom 16. März 1939 über das Protektorat Böhmen und Mähren proklamiert. Ein Jahrtausend lang gehörten zum Lebensraum des deutschen Volkes die böhmisch-mährischen Länder.

18.03.1939 Times
Chamberlain protestiert gegen die Zerschlagung der Rest-Tschechei

Was ist aus der Erklärung 'keine weiteren territorialen Bestrebungen', was aus der Versicherung 'wir wollen keine Tschechen im Reich haben' geworden? Welche Achtung ist dem Grundsatz der Selbstbestimmung zuteil geworden, über den sich Herr Hitler so leidenschaftlich mit mir in Berchtesgaden stritt, als er die Abtrennung des Sudetenlandes von der Tschechoslowakei und seine Einverleibung in das deutsche Reich forderte?

Jetzt erklärt man uns, daß diese Gebietsergreifung infolge von Unruhen in der Tschechoslowakei erforderlich wurden. Man erzählt uns, daß die Verkündung dieses neuen deutschen Protektorats gegen den Willen seiner Einwohner durch Unruhen unvermeidlich gemacht worden sei, die den Frieden und die Sicherheit seines mächtigen Nachbarn bedroht hätten. Wenn es zu Unruhen gekommen ist, wurden sie dann nicht von außen her geschürt? Und kann irgendjemand außerhalb Deutschlands ernsthaft der Ansicht sein, daß solche Unruhen eine Gefahr für jenes große Land hätten bedeuten können und daß sie eine Berechtigung für das, was sich ereignet hat, abgeben? Wird da in unseren Köpfen nicht unvermeidlich die Frage aufgeworfen, welcher Verlaß auf irgendwelche anderen Versicherungen aus der gleichen Quelle ist, wenn es so leicht ist, gute Gründe zur Außerachtlassung von Versicherungen zu finden, die so feierlich und so oft gegeben wurden? [...]

Die Ereignisse aber, die im Laufe dieser Woche unter völliger Mißachtung der durch die deutsche Regierung selbst niedergelegten Grundsätze Platz gegriffen haben, scheinen mir in eine andere Klasse zu fallen und müssen uns alle veranlassen, uns eine Frage vorzulegen: Geht ein altes Abenteuer zu Ende oder fängt ein neues an? Ist es der letzte Angriff auf einen kleinen Staat oder werden ihm weitere folgen? Ist dies tatsächlich ein Schritt in der Richtung, die Welt durch Gewalt beherrschen zu wollen?

Und in der Tat, angesichts der Lehren der Geschichte, die alle lesen können, erscheint es unglaublich, daß uns eine solche Herausforderung zuteil werden sollte. Ich fühle mich verpflichtet zu erklären ... , daß kein größerer Irrtum begangen werden könnte, als anzunehmen, daß unser Volk, weil es den Krieg für eine sinnlose und grausame Angelegenheit hält, soviel von seinem Selbstbewußtsein eingebüßt habe, um nicht alles in seiner Kraft stehende zu tun, eine solche Herausforderung, sollte sie jemals erfolgen, zurückzuweisen. [...]

NS-Archiv

30.03.202235

Deutsche Angst ist das prävalierende Leitmotiv in allen Talk-Shows. Der Krieg dient als Vorlage, nach dem turnusmäßigen verbalen Sorgenaustausch über die Lage der Einwohner von Mariupol, Ängste der Gaskonsumenten hierzulande zu schüren. Die Energieträgerliefanten nehmen den Faden dankend auf und kassieren unermessliche Übergewinne alleine durch diese Ängste. Statt die Unterstützung für den Kampf gegen Invasoren zu intensivieren und Möglichkeiten weiterer Hilfe zu skizzieren, streitet man gerne über die Flüchtlingenverteilung. Dabei übersieht man geflissentlich, dass die beste Flüchtlingspolitik, die effizienteste wirtschaftliche Absicherung Deutschlands, der dauerhafte gerechte Frieden in Europa die Vertreibung von russischen Streitkräften aus der Ukraine ist. Denkt Deutschland eigentlich über die eigene nächste Generation?

29.03.202234

Deutsche Kommentatoren warnen gerne mit einer zitternden Stimme vor tschetschenischen Söldner. Wer sind eigentlich die berühmt-berüchtigten Kadyrows Kampftruppen, die dafür bekannt sind, vor allem westliche Journalisten mit ihrem Bekanntheitsgrad einzuschüchtern? Folgende Errungenschaften im aktuellen Kriegsgeschehen wurden von diesen Posern registriert und selbst dokumentiert: Prallen mit einem stundenlangen erbitterten Kampf gegen ein einziges Klebestreifen mit Kennzeichen der ukrainischen Militäruniform. Martialische furchterregende Aufrufe auf Medienkanälen verbreiten. Früchte fremder Arbeit für sich beanspruchen. Sich vor den Ruinen in die Szene setzen. Sobald es tatsächlich heikel wird, unauffällig verpissen und die reguläre Einheiten im Stich lassen.

Den Image und deren Wirkung haben Kadyrow und Putin von historischen Opritschniki abgekumpert. Auch damals vor über 450 Jahren waren sind grade gut genug, um eigene Bevölkerung einzuschüchtern und dem Zaren persönlich als Instrument seiner Willkür und Säuberungen der alten Kader zu dienen. Gegen den äußeren Feind haben sie sich allerdings als eine Niete erwiesen. Kein Wunder, dass die FSB und die reguläre Streittruppen sie nicht leiden kann.

28.03.202233

Um die Werte, Tugenden und Präferenzen der Ukrainer und deren Geschichte in die korrekte Reihenfolge einzusortieren, vertausche man einfach die Plätze von Substantiven in der ersten Strophe des Deutschlandlieds: Freiheit ist das höchste Gut. Das Recht garantiert die Freiheit und ist nicht absolut. Einigkeit ist kein Selbstzweck, sondern um der Freiheit und der Rechtsdurchsetzung willen. Nicht andersrum. Die ukrainische Nation ist nicht erst 1991 oder 1918 entstanden, sondern mindestens so alt wie die Kiewer Rus. Das begreift Putin nicht und ist voller Furcht und Vernichtungszwang.

27.03.202232

Wieder mal erleben wir den Bundeskanzler bei Anne Will in seiner typischen wortreichen Oberwagheit. Man stehe im ständigen Austausch mit dem russländischen Präsidenten. Putins Plan der Besetzung des ganzen Landes sei gescheitert, ist es nicht toll für die Ukraine. Die NATO ist vereint, damit habe Putin auch nicht gerechnet. Kennt Herr Scholz diese Pläne aus der ersten Quelle, wenn er schon so oft mit Putin redet? Und nein, es ist überhaupt nicht toll. Die NATO war schon immer ein Bündnis, warum wird bei jeder Rede diese banale Tatsache gefeiert, währende in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Krieg tobt. Putins Pläne sind erst dann gescheitert, wenn die Ukraine befreit und der Krieg mit allen daraus folgenden Konsequenzen beendet ist. Die Applaus und die Bewunderung und das Mitleid ist kein Ersatz dafür.

Ansonsten sorgt sich der Bundeskanzler liebevoll und übertrieben um Arbeitsplätze und Energieressourcenunabhängigkeit von Italien und osteuropäische Länder. Er weiß nicht wie man auf einen möglichen Chemiewaffeneinsatz reagiert, er glaubt nur, er mache sich schon Gedanken darüber. Das Interview rundet Anne Will mit einem deplatzierten Schmeichel für die gewonnene Wahl in Saarland. Die Zuschauer erlebten die gewohnte Konzilianz eines Mediums unter Staatsvertrag und ein pseudokritisches Interview, so wie es auch in Russland eine ganze Reihe à la Wladimir Posner gibt.

26.03.202231

Russländische ungeladene Peacemaker in Georgien, in Moldau, in der Ukraine sollen also ein legitimes oder zumindest von den Europäern geduldetes Einsatz zur Befriedung der — von Russland selbst produzierten — Konflikte sein? Aber die NATO- oder internationale Friedenstruppe auf Bitte der ukrainischen Regierung auf dem Staatsgebiet der Ukraine will die NATO selbst als ein direktes Eingreifen auf Russland interpretiert wissen? Der Westen bequemt sich in den Paradigmen der Einflusssphären und bedient somit Putins Logik.

25.03.202230

Wann hören peinliche Fragen nach territorialen Integrität in die Adresse ukrainischer Regierung und Politiker endlich auf? Dabei sanktioniert der Westen ja selbst Russland seit 2014 eben solche Unrechtmäßigkeiten. Stattdessen immer wieder die Zugehörigkeit der Krim oder Donbass in Frage zu stellen, einfach mal sich selbst fragen, ob Deutschland bereit wäre, ostdeutsche Gebiete oder Alaska und Kalifornien an Russland abzutreten. Die Ansprüche auf diese Territorien lassen sich gewiss finden. Wenn schon die Karte der Ukraine illustriert werden soll, dann bitte richtig: die Staatsgrenzen in den Staatsgrenzen und ggf. vorübergehend okkupierte Gebiete konsequent gleichfarbig ohne Unterschied in welcher Kriegsphase.

24.03.202229

Hier allgemeiner Hinweis: Möchte man sich über das Geschehen in der Welt, aber auch in Deutschland informieren, dann ist es nur zu nachlässig, zu bequem, zu gefährlich, sich ausschließlich der bundesdeutschen Medien, allen voran öffentlich-rechtlichen, zu bedienen. Sich so einzuschränken heißt sich falsch zu informieren. Das war schon immer so und wird wohl auch so bleiben.

Konkret im Hinblick auf den aktuellen Krieg: Wenn man schon sich der ukrainischen oder zumindestens der russischen Sprache nicht mächtig ist, dann als absolutes Mindesstandard CNN, BBC, Aljazeera. Englischkenntnisse sind ein Muß. Ich frage mich, wieviele deutsche Korrespondenten und Analytiker, zumindest jene, die öffentlich auftreten, ukrainische Nachrichten tatsächlich in der offiziellen Nationalsprache des Landes verfolgen. Wieviele von Ihnen haben die Mitteilungen, Protokolle, geschweige denn den Sitzungen der Werchowna Rada aus der ersten Quelle ausgewertet? Wie oft wurden die gewöhnlichen Ukrainer in der Landessprache interviewt? Bis vor kurzem wurde über die Ukraine noch aus Moskau berichtet! Und die deutsche Presse stützt sich immer noch auf die Aussagen der russischen Berater. Andere Europäer und Korrespondenten aus dem Übersee sind da weitaus fortgeschritten als selbstgefällige Journalisten und Experten hierzulande.

Wie gesagt, dieser kraßer unerträglicher Umstand betrifft nicht nur die aktuelle Krise. Es war schon immer und überall so. Ohne wenigstens passive Fremdsprachenkenntnisse und Bereitschaft auch ausländische Quellen kritisch zu gemühen versetzt man sich in die ähnliche Realitäts- und Argumentationsverzerrungsfalle, in welcher jetzt die Konsumenten in Russland — ob aus blindem Glauben, fauler Bequemlichkeit oder falscher Frömmigkeit — stecken.

23.03.202228

Die Ukraine ist wie kaum ein anderes europäisches Land von dem europäischen Gedanken tiefer überzeugt. Die Ukraine war und ist eifrig dabei, die acquis communautaire umfassend umzusetzen, und zwar nicht nur aus extrinsischen, sondern auch intrinsischen Beweggründen, und das unter den Kriegsbedingungen. Die Europäische Union wird sich mit dem Beitritt der Ukraine nur bereichern, in mehrfacher Hinsicht. Dass die NATO von dem Beitritt der Ukraine immens profitieren wird, ist eine Offensichtlichkeit, die man buchstäblich in den Nachrichten mitverfolgen kann. Es wäre töricht, diese Chance für die EU und für die NATO zumindest mittelfristig entgleiten zu lassen.

22.03.202227

Russland betont immer wieder ihre Sicherheitsinteressen, geopolitische Interessen, das Recht auf Selbstverteidigung und strategische Notwendigkeit. Auch im Ausland stießen und stoßen diese Befindlichkeiten zuweilen auf offene Ohren und Zungen, nicht zuletzt unter deutschen Politologen, Soziologen oder gar Politikern. Ich möchte durch diese Prisma eine Reihe von ukrainischen Sicherheitsinteressen und sonstigen Sorgen aufzählen bzw. daraus Forderungen ableiten: Russland darf über seine Rohstoffe nicht selbst bestimmen, denn sonst macht sich Europa dadurch erpressbar. Die russische Regierung muss denazifiziert werden, denn sonst beherbergt sie welche und erfindet selbst Nazis in jedem anderen Land. Russland muss demilitarisiert werden, denn sonst könnte es eines Tages ein souveränes Land ohne Kriegserklärung angreifen. Selbstredend darf Russland insbesondere keine Atom- und sonstige Massenvernichtungswaffen besitzen, denn sonst könnte es jene anwenden oder zumindest mit deren Anwendung der ganzen Welt drohen. Russland darf eigentlich keine Armee besitzen, höchstens ein zahlenmäßig eingeschränktes Selbstverteidigungskontingent, wenigstens 100 Kilometer von der Staatsgrenze im Landesinneren stationiert, und natürlich auch keine Manöver abhalten, denn sonst könnte es einen Nachbarn tückisch auf breiter Linie überfallen. Russland darf über keinen Zugang zum Azowschen, geschweige denn Schwarzen Meer aber auch zu Ostsee etc. verfügen, denn sonst könnte Russland dieses Gewässer für den Transport von Kriegsschiffe und -material nutzen. Die Bevölkerung muss depropagandiert, deeskaliert, desillusioniert werden, denn sonst stimmt es aktiv oder passiv allem zu, was unmenschlich ist. Natürlich darf in Zukunft nur eine ukraine- und europafreundliche Regierung in Russland geben, denn sonst fühlen sich die Nachbarn bedroht und müssten sich direkt einmischen.

Sind diese Sorgen nicht berechtigt genug oder zumindest nicht berechtigter als jene von Russland? Zumal es sich nicht bloß um Sorgen, sondern um erfahrene Gefahren handelt. Wollen wir dieses Narrativ und diese Logik ernst nehmen oder jenen ernsthaft und entschieden entgegentreten oder symmetrisch erwidern?

21.03.202226

Der ukrainische Widerstand wird nur solange dauern wie die Kräfte es erlauben, sondern solange es nötig ist. Für die moralische dauerhalfte Überlegenheit und psychische Resilienz ist es immanent, sich auf einen jahrelangen heißen Konflikt einzustellen. Russland muss nicht einfach kapitulieren, sondern effektiv bis hinter die Staatsgrenzen zurückgeschlagen werden. Die Bürde des Sieges und der Anstrengungen liegen vor allem auf den Schultern der ukrainischen Armee und der ukrainischen Bevölkerung, unterstützt durch massive allseitige Materiallieferungen der Alliierten. Nur so kann die Unmissverständlichkeit des Sieges garantiert werden und die Chance auf das Aufkeimen des Revanchismus auf dem Boden der Russländischen Föderation verringert.

Zur Erinnerung: Der Krieg hat nicht ernst am 24. Februar angefangen, sondern bereits am 20. Februar vor acht Jahren mit der international nicht anerkannten und sanktionierten Krim-Annexion. Demzufolge ist der Krieg erst dann zu Ende, wenn die ukrainische Integrität in den Grenzen von 2013 wiederhergestellt ist, die 140.000 zurückgesiedelt werden, die 2018 fertiggebaute Krim-Brücke entweder zur ausschließlich Handelsbrücke umfunktioniert oder abgebaut wird.

20.03.202225

Heute fand die nächste Runde an Heuchelei, Feigheit, Alarmismus, Kaltherzlichkeit und falschen Tatsachen aus Mündern deutscher Politiker, diesmal bei Anne Will. Die Gesprächsrunde fragt sich, wer denn hätte wissen können, dass Putin ein Zivilisationsbruch begeht und ein souveränes Land überfällt. 2008 und 2014 hat man offenbar komplett verschlafen? Zugleich findet sich ein Experte in der selbigen Runde, der das ja alles schon vor vielen Jahren vorausgesehen hat. Während die stellvertretende Beigeordnete NATO-Generalsekretärin nüchtern betrachtet den Krieg lediglich als militärischen Konflikt benennen möchte, bedient die Verteidigungsministerin gar das Putinsche Kalkül: Die Ukraine möge Verhandlungen aufnehmen und Zugeständnisse an Putin machen, denn sonst könnte der Preis und die Opferzahlen noch höher ausfallen. Solch exzellente Schützenhilfe aus Deutschland für seinen Konflikt hat wohl nicht mal Putin erhofft. Oder doch? Deswegen darf er seine Endlösung verwirklichen. Deutschland ist untragbar.

Und was soll der dämliche Satz Putin hat den Krieg angefangen. Er muss diesen Krieg auch beenden. bedeuten? Etwa: Lasst Putin über das Schicksal der Staaten und Menschen entscheiden? Er wird schon selbst wissen, was er tut und wann er aufhört? Bloß nicht provozieren, er wird sich schon selbst eine Provokation aussuchen… Eine wehrhafte Demokratie ist Deutschland auf keinen Fall, sondern die Ukraine.

Deutsche Politik macht sich Sorgen um die Energieversorgung der baltischen Staaten, die selbst auf Gaslieferung aus Russland völlig zu verzichten bereit sind. Ein Bruttoinlandprodukteinbruch von 1 bis 3 % soll deutsche Wirtschaft ruinieren? Deutsche Haushalte leiden momentan nicht unter Sanktionen oder Verzicht auf fossile Energieimporte aus Russland, sondern durch Spekulationen und unbegründete mehrfache Strom- oder Kraftstoffpreiserhöhungen eben durch diese Warnungen vor steigenden Preisen angesichts des kommenden Winters. (Der de facto Zwang zur Stromabnahme und die vorgegaukelte freie Wahl von Stromlieferanten ist ein Thema aus der Reihe staatslancierte Korruption und unfreie Marktwirtschaft für sich.) Zugegeben, Wandel durch Handel funktioniert tatsächlich. Nur eben in umgekehrte Richtung. Deutschland ist verloren.

Während die USA die militärische Hilfe noch vor der Zusage liefern, verspricht die Bundesregierung, irgendwann, nachdem eine gesellschaftliche und parlamentarische Akzeptanz eingeholt wurde, ein Teil davon eventuell zu liefern und die Verteidigungsministerin das Publikum mit ihren windigen Erklärungen für dumm verkauft. Hauptsache: Die Bundesregierung und der Bundestag führen ihre hochkarätige Debatten und beantworten ukrainische Appelle mit Geburtstagsgratulationen an eigene Abgeordnete (wer hat ein solches Ritual im Bundestag überhaupt eingeführt?) und beruhigen sich mit den Worten, Deutschland sei gefragt.

An dieser Stelle passt unverhofft das Zitat der Bundeskanzlerin: Es ist nicht mehr mein Land. Oder wie noch verbliebene anständige Menschen in und aus Russland über ihre eigene Regierung sagen: Ich schäme mich für mein Land. Es ist nicht meine Regierung. Ich schäme mich, ein Deutscher zu sein.

19.03.202224

Solche Sätze wie es ist ein längerer Prozess, deswegen ist es schon zu spät, darin zu investieren, Embargo wird nichts ändern, denn Putin lässt sich nicht beeindrucken, wir können nur gucken, was wir machen können, wir werden scharf beobachten und dann uns intensiv beraten, der Bundeskanzler hat eine Führungsrolle in den Verhandlungen, wir müssen unsere Handlungsfähigkeit bewahren, schreckliche Bilder wühlen uns alle auf und deren wahre Bedeutung muss ich nicht weiter erklären. Das ständige Zeitenwende in aller Munde, flankiert von die Rede von Bundeskanzler Scholz hat viel Beachtung verdient, müsste inzwischen jeden ankotzen. Vermutlich zum ersten Mal in der Geschichte eignet sich ein Maß als Unwort des Jahres besser als ein Wort — 180°.

18.03.202223

Die Feier in Luschniki zu Ehren des Diktators von Allrussland unterstreicht nur die Kontinuität und zugleich absurde Realität der russländischen Gesellschaft: Russland konserviert sich nach dem nordkoreanische Szenarium: Gleichschaltung, aufoktroyiertes Volkstum, bewusst schleierhafte Spiritualität, Unfehlbarkeit des Führers, Siegesdeutung, die aus der Zeit der Sowjetunion reaktivierte Sowki-Mentalität, müdes puppenartiges Abknicken zu allem. Kreml bereitet sich mit grotesken Inszenierungen — Samjatins Wir lässt grüßen — auf die bevorstehende moralische und militärische Niederlage, die er dem einheimischen Pöbel (чурки) als moralischen und militärischen Sieg verkaufen kann. Der korrupte innere Machtzirkel um Putin infiziert die menschliche Biomasse, die er selbst verachtet und vor ihm ekelt, mit Gleichschaltung, gelenkter Schwarmkonformität, Befreiung von der qualvollen Bürde des individuellen Abwägens und Informierens, kollektiver Signatur ohne Nachdenken und Hinterfragen unter einem Blanko-Scheck für alles, was Kreml ferkelt, jetzt und in alle Ewigkeit. Die Signatur hat Kreml ohne Umschweife sprichwörtlich aufgestempelt und zum Nacheifern freigegeben: Z(a) wie ich bin dafür, für Russland, für die Unsrigen, für Putin, für den Krieg, einfach automatisch für alles, wofür man dafür zu sein verlangt wird.

Das Imperium ist gezwungen den Krieg weiter zu führen. Oder um Karl Marx zu paraphrasieren: Das Kapital und das Schicksal eines imperialen Staats ist die permanente Aggression und eine kriegerische Auseinandersetzung bis zum totalen Ende. Das Ende ist entweder der krachvolle Untergang und Chaos oder die Gulagisierung des Landes, begleitet von der Informationshoheit, der Verarmung, Perioden des gewaltsamen Kaderwechsels, Siegesverkündungen von der Front und Verlautbarungen von vermeintlichen Erfolgen in allen Bereichen, der verschwenderischen Menschenlebenutilisierung. Einen Einblick in die Nordkorea auf russische Art gewährt uns Wladimir Sorokins Dystopie Der Tag des Opritschniks von 2006.

Ob es noch eine Population der Russen übrig bleibt, die man noch als Individuen betrachten kann? Natürlich. Sie gibt es auch nicht erst morgen oder heute, sie gab es schon immer, allen voran in der Ukraine-Rus. (Den Namen und die historische Kontinuität der Ukraine von der Kiewer Rus hat der Historiker Mychajlo Hruschewskyj in seinem zehnbändigen Werk vor ungefähr Hundert fundiert.) Sie gibt es auch in Belorus, in den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken, in der Diaspora. Natürlich werden sich auch im Moskowitischen Fürstentum, das sich gegenwärtig als Russland bezeichnet, Verräter, die fünfte Kolonne, das Lumpenpack — um Putins Maulwerk zu bemühen — auch in Zukunft finden. Die Frage ist, ob diese Zukunft eine Chance hat.

17.03.202222

Heute waren wir Zeugen einer Diagnose im Deutschen Bundestag: Wo und wie auch immer Russland mit seinem Verbrechen landet, Deutschland hat diesen Krieg bereits verloren. Ich sage heute nicht, der Urheber des Zweiten Weltkriegs und der größtglückte meistbegünstete Nutznießer des Kalten Kriegs sollte sich schämen. Es würde nichts bedeutet, der Scham à la Deutsch zapft einfach falsche Rezeptoren an. Denn diese Kunst und die politische Kultur des verbalen Mitleids statt Taten, Verständnisbekundung statt echtem Verständnis, Beistandsverkündung statt Beistand, Einigkeitsdebatten statt Einigkeit, Freiheitsgedanken statt Freiheitskampf, Verantwortungsselbstfaszination statt Verantwortung, Schuldselbstkasteiung statt Schuldkorrektur, Bestürzung statt Unterstützung, Wertehochtrabendstottern statt Werte perfektioniert die politische Elite seit über 70 Jahren, liefert in die Adresse von Israelis, Polen, Griechen, US-Amerikanern, Ukrainern und andere Empfängeropfer selbst die Erklärung, wie aufopferungsreich eben diese Kundgebungen sind, und bedankt sich dafür mit Applaus und stehenden Ovationen. Vermutlich ist es keine Kunst oder Fertigkeit mehr, sondern bereits durch Dauerübung eingemauerte Schizophrenie. Bestimmt gibt es für diese einzementierte Dauerpsychose einen passenderen medizinischen Fachbegriff als Narzismus, Placebo, Realitätsverlust. Unterm Strich bleibt zu konstatieren: Russland wurde isoliert, Deutschland isoliert sich ohne fremde Hilfe.

16.03.202221

O-Ton Brennpunkt ARD vom 16.03.2022:

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht: Ich habe großes Verständnis an die Länder, die näher an der Grenze zu Russland sind und damit natürlich auch näher an Bedrohung sind. Wir müssen aber darauf achten, grade auch in der NATO, dass unsere Stärke in den letzten Wochen unsere Geschlossenheit war. Es war eine Geschlossenheit, mit der Putin nicht gerechnet hat in Bezug auf Entscheidung, beispielsweise in Bezug auf Stärkung der Ostflanke. Und diese Geschlossenheit müssen wir bewahren und deswegen müssen alle Vorschläge intern abgestimmt werden. Das wäre der richtige Weg, damit wir weiterhin geschlossen auftreten können als NATO und deutlich machen, wir stehen für unsere Verbündete ein ohne Wenn und Aber.

Moderatorin: Was wären denn für Sie die nächsten Schritte um diesem Ziel [Waffenstillstand, NATO-Friedensmission] näher zu kommen?

Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um auf dem Verhandlungsweg eine Lösung zu finden, dass die Waffen schweigen, dass verhandelt werden kann. Das ist jetzt das Gebot der Stunde. Aber wir müssen auch weiterhin weiterhin gewahr sein, dass Putin mit einer unglaublichen Gewalt, mit einer Brutalität vorgeht gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Und deswegen auf der einen Seite die Verhandlungen weiter unterstützen, da ist viel im Fluss, aber auch als NATO ganz klar aufgestellt sein, dass wir klare Signale senden, unsere Verbündete können sich auf unsere Solidarität verlassen.

Wo ist das die rote Linie für die NATO?

Es ist ganz klar, dass wenn NATO-Gebiet betroffen wäre, dann eben auch die Solidarität unter den Verbündeten greift. Dieses Signal senden wir ganz konsequent in unserem gesamten Handeln. Und das ist das Signal, dass auch beachtet werden muss. Aber wir müssen auch mit einem sehr kühlen Kopf in dieser sehr angespannten sehr bedrohlichen Situation alle unsere Entscheidungen abwägen, damit aus diesem furchtbaren Angriffskrieg kein Krieg wird, in den die NATO miteinbezogen wird, in dem weitere Schritte erfolgen und so zu einem Flächenbrand es werden würde. Das müssen wir verhindern und deswegen ist auch ein kühler Kopf in dieser Zeit gefragt.

Kühler Kopf — damit meinen Sie wahrscheinlich ein versehentlicher Beschuss, eine Verletzung des Luftraums, die nicht beabsichtlich war. [. . .] Was wäre dann zum Beispiel mit dem Einsatz von biologischen und chemischen Waffen? Wäre das eine rote Linie für die NATO?

Kühler Kopf bedeutet eben vor allem jedes Handeln darauf zu überprüfen, was die Konsequenzen sind. Und das ist das Gebot der Stunde. Deswegen ist es wichtig aufzuzeigen, was wir erwarten, wo wir Grenzen sehen. Aber auch für uns immer wieder zu reflektieren, welche Konsequenzen wir auslösen. Das ist was kühler Kopf meint: Keine Konsequenzen androhen, die dann später nicht eingelöst werden, sondern glaubwürdig in der Abschreckung sein, ganz klar die Position vertreten, wir stehen als NATO zu unseren Verdbündeten.

Und was würde bei einem Angriff mit biologischen oder chemischen Waffen gelten?

Die Solidarität zu unseren Verbündeten in der NATO, die gilt für jeden Angriff. Das muss klar sein. Und das leben wir. Das zeigen wir durch die Verstärkung unserer Truppen dadurch, dass wir eben uns auch sehr schnell aufgestellt haben. Da gibt es überhaupt keine Frage. Egal durch welchen Angriff.

Es ging jetzt um chemische Waffen in der Ukraine. Was wäre dann?

Wir sind gut beraten, solche Fragen ernst zu nehmen und auch nicht auszuschließen, dass es zu einem solchen Einsatz käme. Aber wir sind auch gut beraten, mit all den Möglichkeiten, die wir haben, darauf hinzuweisen, welche Konsequenzen es eben auch hätte für Putin, für das Land, welche furchtbare Konsequenzen er auslösen würde, was es für die Menschen bedeutet. Und das immer wieder deutlich zu machen und nicht eine Welle der Eskalation jetzt loszutreten.

Danke Frau Verteidigungsministerin für deutliche Worte! Ich weiß jetzt nicht, wovor ich mehr Angst habe: Vor Putin oder vor all Ihren zahlreichen fuchtbaren Interview-Konsequenzen und sonstigen unbeunruhigend beruhigenden unmissverständlichen Loriot-Sequenzen.

15.03.202220

Die Nachrichtensprecher westlich der Oder und insbesondere hierzulande machen sich Sorgen über ein bemerkenswertes, riskantes, gefährliches, zwar in Brüssel angekündigtes, aber nicht abgestimmtes Husarenstück aus Polen, Tschechien und Slowenien. Was wahrlich weiter nicht bemerkenswert ist, ist die Verwunderung darüber, dass die osteuropäischen Spitzenpolitiker die europäische Solidarität, den Mut und den Beistand dann wagen, wenn es deren bedarf. In Deutschland freilich unvorstellbar, zumal der Slogan WeStandWithUkraine auf ein Land der um ihrer selbst Besorgten auf Kosten der Heißeluftempfänger zu befremdlich international wirkt. Aber wer kann es sich in der europäischen Wertegemeinschaft noch leisten, Ratschläge und Fragen aus Deutschland ernst zu nehmen?… Dies wäre nur zu tödlich.

14.03.202219

Deutschland und seine wenige Alliierten haben vor 80 Jahren sechs Jahre lang eine militärische Sonderaktion gegen den Rest der Welt geführt, davon die letzten zwei Jahre laut eigenen Verkündungen den totalen Krieg. Das Dritte Reich hat eigene Oppositionelle verfolgt, die Bevölkerung mit Propaganda gefüttert, Konzentrations- und Vernichtungslager überall im Land durchexerziert. Spätestens seit 1943 befand sich die Reichswehr im Rückzug, begleitet mit schweren Kämpfen, Städtebombardements, hohen Verlusten, auch unter der Zivilbevölkerung. Das letzte Attentat auf Hitler wurde durch deutsche hohe Offiziere verübt. Die Gerichtsprozesse und zahlreiche Exekutionen von Verschwörern wurden öffentlich veranstaltet. Nach dem Attentat und selbst dem Rückzug des Führers aus dem operativen Geschehen führte Deutschland noch ein Jahr lang den bereits verlorenen Krieg, bis zur totalen Besetzung und Verwüstung Deutschlands, während Hitler noch in den letzten Kriegstagen lächerlich ausgerüstete deutsche Jünglinge des Volkssturms persönlich in den Tod schickte.

Die deutsche Bevölkerung hat Hitler geglaubt und ihn frenetisch gefeiert. Sie war von der Notwendigkeit des Eroberungskriegs und der Gewinnung des natürlichen Lebensraums im Osten Eurasiens überzeugt oder sprach sich zumindest nicht dagegen. Zwischen der Machtergreifung 1933 und dem Kriegsausbruch liegen grade mal sechseinhalb Jahre. Und heute erwartet man von gewöhnlichen Russen, einer zweiundzwanzigjährigen Zombifikation ausgesetzt, wo eine ganze Generation nur Putin als Staatsoberhaupt kennt und unter ihm materiell prosperiert hat, wo Russland eine riesige Landesmasse (für den Rückzug) besitzt, dessen Städte nicht in Schutt und Asche liegen, die mit asiatischen neutralenSchwergewichten noch Handelsbeziehungen unterhält, dass sie nach drei Wochen spezielle Operation vielfach klüger, menschlicher, tapferer, objektiver, informierter sind als Deutsche vor 80 Jahren. Darauf zu bauen kann man nur, wenn Russland auch militärisch und damit auch propagandistisch zurückzurudern gezwungen muss. Was wäre, wenn man spätestens im Jahr 2014 und spätestens im Jahr 1938 den Führer gleich in seine Schranken zurückgewiesen hätte…

13.03.202218

Statt seine Freiheit in der Ukraine zu verteidigen oder ernsthaft den Angriff auf die osteuropäische NATO-Flanke durchzuspielen, entdeckt Deutschland das Bedürfnis nach der eigenen Landesverteidigung, inklusive Schutz vor Luftangriffen. Die seit Jahrzehnten kultivierte Position Deutschlands in der EU und in der NATO ist die eines Trittbrettfahrers, Drückebergers und Wichtigtuers. Entsprechend gering ist dessen Wertschätzung unter den Nachbarn und selbstredend im fernen Washington. Bricht der Weltkrieg aus, werden die USA vor allem Polen und dem Baltikum militärisch beistehen. Oder gleich auf sich selbst konzentrieren. Auch Deutschland werden die Amis helfen. Und zwar entsprechend seinem Verdienst und Selbstverständnis: mit moralischer Unterstützung, Friedensbemühungen und wortkräftigem Beistand. Vielleicht wird Deutschland sogar sein heiß beliebtes Helgoland doch noch behalten dürfen.

12.03.202217

Der Kontext der russischen Diplomatie sendet in den öffentlichen Auftritten sprichwörtliche Signale. An die westlichen Politiker: Wir erfinden immer groteskere Lügen über Lügen. Ihr wisst, dass wir lügen. Wir wissen, dass ihr es wisst. Ihr wisst, das wir es wissen, dass ihr das wisst. Ihr reagiert auf unsere Lügen mit Kommentaren, mehr oder weniger ausführlichen Entlarvungen, Empörungen, Nachdenklichkeiten, Friedensprotesten und vor allem Ohnmacht. Weiter so, das Ausland, wir werden uns schon einigen. An die Ukrainer: Schaut zu, eure besorgte Europäer haben euch im Stich gelassen. Denen seid ihr egal, sobald unnützlich. Euren Heldenmut hat der dekadente verlogene Westen nicht verdient. Uns seid ihr nicht egal. Unter unserer Knute seid ihr zumindest sicher. An die Heimatfront: Wir haben es allen gezeigt. Das Ausland demonstriert in seiner Abneigung eine Neigung, uns glauben zu wollen, weil es schwach sind. Russland hat Recht, weil das Ausland sich an seine Bequemlichkeiten klammert. So siegt das Unrecht. So funktioniert das Recht des Stärkeren, des Brutalsten, des kompromisslosen Schurken. Schon immer und überall.

11.03.202216

Bizarre Bilder des Tages: Betont lässiger Gang von scherzenden Emmanuel Macron, Ursula von der Leyen und Charles Michel im Pomp von Versailles. Turnusmäßige außerordentliche Geschlossenheitsdemonstration im kostümierten Palavern und salutierenden Prunk, Signalwirkung in Richtung Kreml für den Biedermann. Danke an die Ukraine, dass wir uns auf so illuster uns konzentrieren können. Kurzum: letzte Zuckungen von Europa, ein Tanz vor dem Untergang, Nostalgie nach Demokratie, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit, willkommenes Amüsemant und Kasperle für Putin, der sich ins Fäustchen lacht. Wir waren mal Europäer… Bald nur ein Witz und ein Schimpfwort. Oder wie die Verteidigungsministerin pointierte: Unsere Werte sind in Frage gestellt. Eben, abgesehen von hohlen Parolen welche waren es nochmal? Wir sind wir, solange niemand was dagegen hat.

10.03.202215

Immer öfter lässt sich im Fernsehen beobachten, wie Kommentatoren, Journalisten und Politiker in ihren Interviews mit ukrainischen Politikern und Menschen vor Ort sich der putinschen Logik bedienen: Wie lange wollt ihr es denn eurer Bevölkerung zumuten? Provoziert der ukrainische Widerstand Putin nicht mehr? Sind die Kriegskosten und Verluste berechtigt? Könnt ihr den Zivilistenmord verantworten? Wann kommt ihr zur Einsicht und Vernunft vor der skrupellosen Übermacht des Aggressors? Tragt auch ihr die Schuld am russischen Bombardements von ukrainischen Städten, solange ihr euch nicht ergibt? Wozu brauchen die Ukrainer einen freien Willen, wenn man — ohne sie — verhandeln kann? Ist es nicht naiv, an die Gerechtigkeit zu glauben? Wäre es nicht besser, sich vergewaltigen, versklaven und ein bisschen töten zu lassen als sich zu oft töten zu lassen?

Tatsächlich: Nicht etwa jener zugegeben etwas schräge Diktator namens Hitler war am Zweiten Weltkrieg, mehrfachen Millionentod und Zerstörung schuld, sondern all jene, die sich gewährt haben. Hätte man diesem reinrassigen Übermensch doch gleich seine Eroberungen und persönliche Ambitionen einfach geschehen lassen und ihm die Vernichtung von nur einpaar Millionen Juden, Krüppel, Andersdenkende, Anderslebende Unruhestifter und wahnsinnige Trotzer gleich zugestanden, hätte man den Krieg, die Unordnung, den Leid, die Bomben über Europa und verstörenden Bilder erspart. Echt, keine Ahnung, warum wir uns über Nazis aufgeregt haben, die eigentlich nur für Ordnung in Europa sorgen wollten. Gut, dass wir 80 Jahre später endlich zur Vernunft gekommen sind. Soll doch Putin alles bekommen, was er will. Hauptsache, niemand wird uns vorwerfen können, wir hätten uns gewehrt und den irrationalen Tod den verlässlichen Ketten vorgezogen. Im Angesicht des Bösen ist mehr als ratsam, kampflos zuzusehen.

09.03.202214

Wertem Leser ganz unverbindlich längere Passagen einer nicht unbekannten Rede. Der Rest ist die Geschichte:

Danzig war und ist eine deutsche Stadt. Der Korridor war und ist deutsch. Alle diese Gebiete verdanken ihre kulturelle Erschließung ausschließlich dem deutschen Volk, ohne das in diesen östlichen Gebieten tiefste Barbarei herrschen würde. Danzig wurde von uns getrennt, der Korridor von Polen annektiert, die dort lebenden deutschen Minderheiten in der qualvollsten Weise mißhandelt. Über 1 Million Menschen deutschen Blutes mußten schon in den Jahren 1919 auf 1920 ihre Heimat verlassen. Wie immer, so habe ich auch hier versucht, auf dem Wege friedlicher Revisionsvorschläge eine Änderung des unerträglichen Zustandes herbeizuführen. Es ist eine Lüge, wenn in der Welt behauptet wird, daß wir alle unsere Revisionen nur unter Druck durchzusetzen versuchten. [. . .] In jedem einzelnen Falle habe ich dann von mir aus nicht einmal, sondern oftmals Vorschläge zur Revision unerträglicher Zustände gemacht.

Alle diese Vorschläge sind, wie Sie wissen, abgelehnt worden. Ich brauche sie hier nicht im einzelnen aufzuzählen: die Vorschläge zur Rüstungsbegrenzung, ja, wenn notwendig, zur Rüstungsbeseitigung, die Vorschläge zur Beschränkung der Kriegsführung die Vorschläge zur Ausschaltung von in meinen Augen mit dem Völkerrecht schwer zu vereinbarenden Methoden der modernen Kriegführung. Sie kennen die Vorschläge, die ich über die Notwendigkeit der Wiederherstellung der deutschen Souveränität über die deutschen Reichsgebiete machte, die endlosen Versuche, die ich zu einer friedlichen Verständigung über das Problem Österreich unternahm und später über das Problem Sudetenland, Böhmen und Mähren. Es war alles vergeblich. Eines aber ist unmöglich zu verlangen, daß ein unerträglicher Zustand auf dem Weg friedlicher Revision bereinigt wird, und die friedliche Revision konsequent zu verweigern. [. . .]

Es ist auch unmöglich, zu behaupten, daß derjenige, der in einer solchen Lage dann dazu übergeht, von sich aus diese Revision vorzunehmen, gegen ein Gesetz verstößt. Das Diktat von Versailles ist für uns Deutsche kein Gesetz. [. . .]

Es geht nicht an, von jemand mit vorgehaltener Pistole und der Drohung des Verhungerns von Millionen Menschen eine Unterschrift zu erpressen und dann das Dokument mit dieser erpreßten Unterschrift als ein feierliches Gesetz zu proklamieren. [. . .]

So habe ich auch im Falle Danzigs und des Korridors versucht, durch friedliche Vorschläge auf dem Wege der Diskussion die Probleme zu lösen. Daß sie gelöst werden mußten, das war klar. [. . .]

Und daß der Termin dieser Lösung für die westlichen Staaten vielleicht uninteressant sein kann, ist begreiflich; aber uns ist dieser Termin nicht gleichgültig, vor allem aber war er und konnte er nicht gleichgültig sein für die leidenden Opfer. Ich habe in Besprechungen mit polnischen Staatsmännern die Gedanken, die Sie von mir hier in meiner letzten Reichstagsrede vernommen haben, erörtert. Kein Mensch kann behaupten, daß dies etwa ein ungebührliches Verfahren oder gar ein ungebührlicher Druck gewesen wäre.

Ich habe dann die deutschen Vorschläge formulieren lassen, und ich muß es noch einmal wiederholen, daß es etwas Loyaleres und Bescheideneres als diese von mir unterbreiteten Vorschläge nicht gibt.

Und ich möchte das jetzt der Welt sagen: ich allein war überhaupt nur in der Lage, solche Vorschläge zu machen. [. . .] Denn ich weiß ganz genau, daß ich mich damals zur Auffassung von Millionen von Deutschen in Gegensatz gebracht habe. [. . .]

Diese Vorschläge sind abgelehnt worden. Aber nicht nur das, sie wurden beantwortet mit Mobilmachungen, mit verstärktem Terror, mit gesteigertem Druck auf die Volksdeutschen in diesen Gebieten und mit einem langsamen wirtschaftlichen, politischen und in den letzten Wochen endlich auch militärischen und verkehrstechnischen Abdrosselungskampf gegen die Freie Stadt Danzig. Polen hat den Kampf gegen die Freie Stadt Danzig entfesselt. Es war weiter nicht bereit, die Korridorfrage in einer irgendwie billigen und den Interessen beider gerecht werdenden Weise zu lösen. Es hat endlich nicht daran gedacht, seine Minderheitsverpflichtungen einzuhalten. Ich muß hier feststellen: Deutschland hat diese Verpflichtungen eingehalten. Die Minderheiten, die im Deutschen Reich leben, werden nicht verfolgt. [. . .]

Ich habe nun dieser Entwicklung vier Monate lang ruhig zugesehen, allerdings nicht, ohne immer wieder zu warnen. Ich habe in letzter Zeit diese Warnungen verstärkt. Ich habe dem polnischen Botschafter vor nun schon über drei Wochen mitteilen lassen, daß, wenn Polen noch weitere ultimative Noten an Danzig schicken würde, wenn es weitere Unterdrückungsmaßnahmen gegen das Deutschtum vornehmen würde oder wenn es versuchen sollte, auf dem Wege zollpolitischer Maßnahmen Danzig wirtschaftlich zu vernichten, dann Deutschland nicht länger mehr untätig zusehen könnte. [. . .]

Man hat versucht, das Vorgehen gegen die Volksdeutschen damit zu entschuldigen, daß man erklärte, sie hätten Provokationen begangen. [. . .] Ich weiß nicht, worin die Provokationen der Kinder oder Frauen bestehen sollen, die man mißhandelt und verschleppt, oder die Provokationen derer die man in der tierischsten, sadistischsten Weise gequält und mißhandelt hat. Eines aber weiß ich: daß es keine Großmacht von Ehre gibt, die auf die Dauer solchen Zuständen ruhig zusehen würde. [. . .]

Ich habe es feierlich versichert und wiederhole es, daß wir von diesen Weststaaten nichts fordern und nie etwas fordern werden. [. . .] Wir werden diese unsere Aufgabe selber lösen. [. . .] Deutschland — Sieg Heil!

Adolf Hitler, Erklärung der Reichsregierung vor dem Deutschen Reichstag, 1. September 1939

08.03.202213

Wie funktioniert die Kreml-Propaganda? Sie knüpft an das Jahrzehnte — um nicht zu sagen, Jahrhunderte — geplogene und gehegte Narrativ: Der Russe könne ja gar nicht aggressiv sein. Russland (so hört man tatsächlich von einfachen Menschen habe nie einen ungerechten Eroberungskrieg geführt, sondern die Völker vom welchen auch immer Joch befreit. Alle slawische Ströme fließen in das große russische Meer und besondere gottgewollte Mission des russischen Volkes ist das russische Pendant zu am deutschen Wesen wird die Welt genesen, Putins russische Welt zu Hitlers Germania, der russische Allmensch zu Herrenrasse. Russland habe immer Recht, egal, wer grade im Kreml sitzt. Kurzum, entweder werden alle Menschen dieser Welt zu guten Russen bekehrt, oder sie werden zu ihrem Glück ausgerottet.

Anbei ist Alexander Puschkins — DER russische Nationaldichter — Gedicht aus dem Jahre 1831, verfasst als Reaktion auf Aufstände in Polen 1830/31, adressiert an das Ausland, im Original und in literarischer Übersetzung:

An die Verleumder Russlands

Was soll das Wortgelärm, Tribunen fremder Staaten?
Warum mit Fluch und Bann wollt Rußland ihr verraten?
Was hat euch so empört? Des Polen Schändlichkeit?
Laßt uns: dies ist ein Streit — ein vom Geschick geweihter! —
Von Slawen unter sich, im eignen Haus der Streiter,
Und eine Frage, der — ihr nicht gewachsen seid.
Seit lange sich befeindend, prallten
Zusammen diese Stämme: oft
Erzwangen eifernde Gewalten,
Daß einer wankt, der andre hofft.
Wes Sieg wird diesen Streit beschließen:
Des Polen Dünkel, Rußlands Treu'?
Ob Slawenflüsse sich ins Russenmeer ergießen?
Ob es versiegt? — fragt man aufs neu'.
Laßt uns: nicht lesen könnt, nicht streichen
Ihr dieser Tafeln blutige Zeichen;
Euch ist er fremd, unfaßbar ist
Euch dieser brüderliche Zwist;
Für euch der Kreml und Praga schweigen,
Doch der Versuchung Wahn erfaßt
Euch bei des Kampfes tollem Reigen
Und heimlich sind wir euch verhaßt,..
Warum? Darum, daß selbstvergessen,
Im roten Feuermeer von Moskaus Flammenbrand
Wir nicht den Willen anerkannt,
Dem ihr euch beugtet unterdessen?
Daß unsrem lohen Opfermut
Den Abgott eurer Welt zu stürzen war beschieden?
Daß knospend blüht aus unsrem Blut
Europas Freiheit, Ehre, Frieden?
Ihr führt das große Wort — versucht die großen Taten!
Meint ihr, der alte Held muß sich zuvor beraten,
Eh er das Bajonett von Ismail erfaßt?
Vermag das Russentum sein Recht nicht zu verfechten?
Nicht mit Europa mehr zu rechten?
Ward Siegen uns zu einer Last?
Sind wir gering an Zahl? Von Perm bis Tauris' (Krim) Fluten,
Von Finnlands Eisgranit zu Kolchis' (Kaukausus)Sonnengluten,
Vom Kreml, der sturmerschüttert harrt,
Zur Mauer Chinas, des erstarrten,
Entrollte rauschende Standarten
Des Reußenheeres Reicheswart.
So sendet her, ihr Völkerführer,
Die Söldner eurer Niedertracht:
In Rußlands Feldern wartet ihrer
Nicht unbekannter Gräber Pracht.
übersetzt von W. Groeger

Клеветникам России

О чем шумите вы, народные витии?
Зачем анафемой грозите вы России?
Что возмутило вас? волнения Литвы?
Оставьте: это спор славян между собою,
Домашний, старый спор, уж взвешенный судьбою,
Вопрос, которого не разрешите вы.

Уже давно между собою
Враждуют эти племена;
Не раз клонилась под грозою
То их, то наша сторона.
Кто устоит в неравном споре:
Кичливый лях, иль верный росс?
Славянские ль ручьи сольются в русском море?
Оно ль иссякнет? вот вопрос.

Оставьте нас: вы не читали
Сии кровавые скрижали;
Вам непонятна, вам чужда
Сия семейная вражда;
Для вас безмолвны Кремль и Прага;
Бессмысленно прельщает вас
Борьбы отчаянной отвага —
И ненавидите вы нас…
За что ж? ответствуйте: за то ли,
Что на развалинах пылающей Москвы
Мы не признали наглой воли
Того, под кем дрожали вы?
За то ль, что в бездну повалили
Мы тяготеющий над царствами кумир
И нашей кровью искупили
Европы вольность, честь и мир?..

Вы грозны на словах — попробуйте на деле!
Иль старый богатырь, покойный на постеле,
Не в силах завинтить свой измаильский штык?
Иль русского царя уже бессильно слово?
Иль нам с Европой спорить ново?
Иль русский от побед отвык?
Иль мало нас? Или от Перми до Тавриды,
От финских хладных скал до пламенной Колхиды,
От потрясенного Кремля
До стен недвижного Китая,
Стальной щетиною сверкая,
Не встанет русская земля?..
Так высылайте ж к нам, витии,
Своих озлобленных сынов:
Есть место им в полях России,
Среди нечуждых им гробов.

Ferner Ausführungen des nicht minder bekannten Dostojewkijs über das russische Volk als das eizige wahre große Volk mit der Mission, die Welt zu retten, weil es den Gott in sich trage und es nur eine eizige Wahrheit geben könne etc.:

теперь на всей земле единственный народ-богоносец, грядущий обновить и спасти мир именем нового бога и кому единому даны ключи жизни и нового слова (…) Истинный великий народ никогда не может примириться со второстепенною ролью в человечестве или даже с первостепенною, а непременно и исключительно с первою. Кто теряет эту веру, тот уже не народ. Но истина одна, а стало быть, только единый из народов и может иметь бога истинного, хотя бы остальные народы и имели своих особых и великих богов. Единый народ-богоносец — это русский народ

Nicht dass man solche literarische Schöpfungen unbedingt beim Wort zu nehmen braucht. Es sei denn, ein Missia sitzt zufällig auf dem russischen Thron….


Jeder Arschloch, jeder Verrückter, jeder Verrücktheitssimulant kann mit der Atombombe den Globus erpressen. Bis die Welt ausnahmslos von den Arschlöchen geherrscht oder vernichtet wird. Statt der Ukraine tatkräftig beizustehen, sorgen sich die Analytiker um Putins Gesichtsverlust. Wir weigern uns anzuerkennen: Fällt die Ukraine, fällt die Menschlichkeit!


Kein Wunder, dass die beiden öffentlichen Rundfunktanstalten das deutsche Publikum verschont und — bis auf einige schwermutige Analysen und einparr Specials — das übliche Unterhaltungsprogramm durchzieht. Ausführliche Reportagen, geschweige denn schreckliche Bilder, Nachrichten über den Krieg rund um die Uhr mögen doch die BBC und das CNN . Die hochempfingliche deutsche unschuldige Seele kann das nicht verkraften. So wie sie 1945 — dank diesen bösen schrecklichen GIs — die Bilder von Holocaust-Leichen ertragen oder gar die Überreste von human vergasten Juden umbeten musste. Dieses Trauma wollen wir unserer Bevölkerung nicht zumuten. Wir sind strukturelle Pazifisten, indem wir die Augen schließen, den Krieg nicht wahrnehmen wollen und wir grenzen ja nicht direkt an die Ukraine? Mit den Sicherheitsgarantien des Atomwaffensperrvertrags aus dem Budapester Memorandum von 1994 über die Unabhängigkeit und die existierenden Grenzen der Ukraine haben wir nichts zu tun, das sollen die USA, Großbritannien und Russland untereinander ausbaden. Wir haben Sorgen und Mitleid und Angst, schon deshalb, weil wir von Angst gelähmt sind. Lasst uns Nachdenklichkeit, Besorgnis und Trauer demonstrieren und neue Ängste entdecken.


Ich stelle mir Ausreden vor, sobald Putin oder ein anderer Despot Europa überfällt. (Europa natürlich im Sinne des politischen Berlins — ohne die Ukraine.) Im Grunde nichts Neues. Wer hätte denn gedacht, dass Putin uns dreist belügt und betrügt? Wieso agiert Putin wie Putin? Ist der Mann berechenbar? Er wollte doch nur die Ukraine einverleiben, nachdem er nur Teile davon, nachdem er nur Krim einverleiben wollte? Man muss ja ein bisschen zugeben, dass das Baltikum und Finnland und Polen ja die russischen Sicherheitsinteressen gefährden. Was machen wir ohne russischen Gas? Die Russen waren doch schon in Berlin. Die Nachkriegsordnung, der Kalte Krieg und Aufteilung in Einflusszonen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war ja eigentlich eine friedliche berechenbare Zeit. Die Osteuropäer werden ja nicht so sehr leiden, wie die Russen selbst, das wird schon, Wandel durch Anpassung. Bloß keinen Dritten Weltkrieg riskieren, denkt an die Atomwaffen! Wir wollen kein Blood, Toil, Tears and Swear sehen. Wir wollen im Dialog bleiben. Eine neue Epochenwende, es ist schön, wie flexibel wir Deutsche doch sind.

07.03.202212

Deutsche Politiker stellen der Ukraine eine großartige zynische Perspektive in Aussicht: Die Ukraine wird nicht untergehen, denn Russland wird die Ukraine nicht kontrollieren können, das ist allen Beteiligten jetzt klar, nicht wahr? Hurra, noch ist die Ukraine nicht gestorben! Mit anderen Worten: Statt eines unabhängigen EU-Staats lasst die Ukrainer dauerhaft kämpfen, lasst die Ukrainer und die Russen sich gegenseitig ausschlachten, das passt ja so schön in das Image. Ich kann mir schon jetzt gut vorstellen: Sobald Russland das Baltikum und Polen angreifen — Hitler musste den Krieg fortwährend führen, um den Krieg zu finanzieren — hat Deutschland eine Erklärung partout: Polen wird nicht untergehen, es ist letztlich in seiner tausendjährigen Geschichte nicht untergegangen, die Polen lieben es doch, dauerhaft zu leiden und im Untergrund zu kämpfen. Hurra, noch ist Polen nicht gestorben! Über Deutschland mache ich mir keine Sorgen: Ein loyales kollaboratives Vichy-Regime (ein deutscher De Gaulle, geschweige denn Winston Churchill, nicht mal Edvard Beneš ist kaum vorstellbar), beauftragt mit einer verantwortungsvollen Aufgabe, Gas, Sklaven und Entschuldigungen an Besatzungsgebiete verteilen zu dürfen. Hurra, wäre ja nicht zum ersten Mal!

06.03.202211

Deutschland ist nach wie vor im feigen Modus. Mit heuchlerischen Selbstreflexionen und Chroniken der Zeitenwende und zementiert es mit Wortneuschöpfungen und Versprechen für entfernte Zukunft die eigene Ohnmacht. Deutsche Politiker und Analysten rechtfertigen sich, indem sie die anderen belehren. Die Bitten des ukrainischen Botschafter um mehr konkrete sofortige Hilfe, werden mit Monologen unterbrochen, was ja so alles die Bundesrepublik für die eigene Bundeswehr und eigene Unabhängigkeit von fossilen Ressourcen ausgeben wird (!( Er wird zwar zu Talk-Shows eingeladen, um nicht angehört zu werden. Wir hören Klar, für den deutschen Konsumenten ist es alles plötzlich genug, irgendeiner Krieg in irgendeiner Ukraine, die wir erst vor kurzem von Russland und Belorus zu unterscheiden lernten, ist zu viel. Die Ukraine ist gut bedient, indem sie für unsere Freiheit kämpfen, für unsere proklamierte Werte, für die berühmtberüchtigte Demokratie einstehen darf. Schließlich opfert Deutschland ungemein viel für die Ukraine, indem es ebenjene Freiheiten, Werte, Demokratie weit und breit ausführlichst erklärt. Unsere Antwort auf Herr Melnyk lautet eine volle Ladung verbaler sofortiger Unterstützung: Quantensprung, deutsche Wende, neue Realität, Stärkung der deutschen Wehrhaftigkeit, Aufrechterhaltung des sozialen Friedens, DNA. Außerdem all diese wirtschaftliche Sanktionen und Waffenlieferungen: Es braucht ja Zeit, der Ukraine ist sowieso nicht mehr geholfen, bis wir alles einführen, werden wir es ja nicht mehr einführen brauchen. Schauen Sie, Herr Botschafter, wie die wunderschönen ukrainischen Städte bombardiert werden. Ist es nicht klüger, sich von Cäsar gleich versklaven zu lassen, irgendwann lebt Cäsar ja nicht mehr. Aber natürlich prüft und überlegt und leitet alles mögliche in die Wege die Bundesregieren. Alles liegt auf dem Tisch und es ist gut so. Also bitte, Herr Botschafter, seien Sie froh, zumindest noch in den Talk-Shows brav daneben zu sitzen und in dieser großartigen deutschen Zeitenwende teilzuhaben.

05.03.202210

In Deutschland hat sich ein neues Hype etabliert: Tun wir so, als ob wir der Ukraine helfen. Wir sind solidarisch. Wir wollen den Frieden auf der Erde, jedenfalls einen mittelfristigen in Deutschland. Schaut mal wie wir einpaar Tausend Flüchtlinge aufnehmen. Deutschland hat eine 180 Grad Wende vollzogen, ist das nicht aufregend erfrischend. Unser Bundeskanzler hält die diplomatischen Wege offen und übt sich auch sonst freißig im diplomatischen Nichtssagen. Lasst Jamala ihr Klagelied überall ertönen. Lasst uns gemeinsam weinen, wie doch mitfühlend wir Deutsche sein können. Talk-Shows darüber wie Putin tickt, was uns demnächst die NATO und der Gas kostet und wie wir uns fürchten, wir sind in großer Sorge. Niemand will den Dritten Weltkrieg. Friede den Völkern. Uns ist die Ukraine egal, deswegen sagen wir: Uns ist das Schicksal der Ukrainer nicht gleichgültig. Wir diskutieren gerne über deren Leid, unsere Sicherheit und fächern emsig mit blaugelben Farben. Ach ja, Spenden für ukrainische Flüchtlinge nicht zu vergessen, natürlich ordentlich über ARD-Spendekonten. Aber nicht für die ukrainische Armee, schon gar nicht auf ukrainische Konten. Was sind wir für friedliche allseitsfreundliche weltoffene wertorientierte hörige feige wertlose Verlierer. We have nothing to fear as President Putin himself. Wir sind freiwillige Sklaven.


Für die westliche Verteidigungsallianz ist es kein Problem, dass russische Waffen mit westlichen Technologien gebaut, mit westlichen Zugehörteilen und Bausätzen gespickt oder auch am Stück gekauft sind. Aber ein Flugzeug mit ukrainischen Hoheitszeichen zu bemalen, mit einpaar Schrauben aus ukrainischer Produktion und mit einem Pilot der ukrainischen Staatsangehörigkeit zu besetzen: Dieses Szenario werten russische Generäle nicht als Angriff der NATO auf Russland. Als direkte Einmischung ins Kriegsgeschehen rechtfertigt sich die NATO vor sich selbst. Was läuft hier eigentlich ab? Ist Selenskyjs Sarkasmus über die notwendige Anzahl von Toten und zerbombten Städten in Wirklichkeit eine Sättigungsgröße für NATO-Generäle? Warten wir den Beschluss eines weiteren Atomkraftwerks, um auch China zu überzeugen?

04.03.202209

Endlich kann Putin triumphieren: Seine Träume, Phantasmagorien, Sorgen gehen in Erfüllung. NATO-Erweiterung? Schweden, Finnland, die Ukraine, Moldowa… Check. Anti-Russland? Der Rest der Welt. Berechtigte Sicherheitsinteressen? Jawohl. Russlands Sicherheit vor dem Chaos und Kollaps muss vor Putin gerettet werden. Die Russische Welt in Gefahr? Absolut. Die Ukraine, Baltikum, mittelasiatische Republiken werden sie retten, als das neue Vulgärlatein. Die gemeinsame geistliche kulturelle Gesinnung. Exakt. Die Welt gegen Putins Barbarei.

Wir brauchen putintreue Medien nicht zu blockieren! In Gegenteil. Begleiten wir sie mit Synchronübersetzung. Es gibt kaum größere Unterhaltung, Kokolores, Parodie, Selbstzerfleischung und Feuerwerk von Widersprüchen und inzwischen sogar Putinuntreu.

Russische Bodenstreitkräfte sind bald am Ende. Die Zeit tickt gnadenlos jede Minute gegen ihn. Was wo und wie er noch in die Ukraine wirft, ist der totale Krieg. Die Totalmobilmachung, schonungsloser Ressourcenverbrauch, absolute Abschottung von der Welt und Kontrolle über Medien — im Vergleich zu 30.04.1945 hatte sein Höhlengeselle einen ehrenvolleren Abgang von der Weltbühne.

Im Felde ungeschlagen, Provokateure, Vaterlandsverräter, Schmach des Versailler Vertrags. Kommen Ihnen diese Dolchlegenden bekannt vor? Wissen Sie noch, mit welchen Mitteln ein weltberüchtigter österreichicher Gefreiter seinen Kampf gekämpft hat? So unbequem es auch klingen mag, wir brauchen kein 1918. Keine faule Kompromisse. Das noch loderndes Feuer ist immer noch brandgefährlich.

03.03.202208

Ich höre aus einheimischen Medien:

Wird die Ukraine bald oder sehr bald aufgeben?

Rollt die russische Militärmaschine über das Land flächendeckig oder will Putin zuvor eine Marionettenregierung in Kyjiw etablieren?

Womit können wir den ukrainischen Präsidenten besänftigen? Was können wir den Russen anbieten? Was können wir den Ukrainer langfristig anbieten?

Und sonstige — wie man schön sagt — defetistische Umtriebe. Die russischen Informaten, Diversanten und Saboteure, die seit einigen Monaten in den ukrainischen Städten agieren, um Militärobjekte auszuspionieren, mögliche Ziele zu markieren und vor allem Panik in der Bevölkerung zu schürren haben einen Erfolg zu verbuchen. Und zwar bei der deutschen Presse und bei den deutschen Nachrichtendiensten. Die russischen Strategen kennen sich mit den Ukrainern schlecht aus, aber wohl wissen sie wie westliche und vor allem deutsche Akteuren ticken, wo man sie findet, wie man sie anspricht und womit man sie füttert. Die Presse lässt sich gerne von Satellitenbildern mit langen Kolonnen russischer Fahrzeugen — die eigentlich doch, wenn sie das können, was die Bilder versprechen, schon seit drei Tagen in Kyjiw hätten stehen sollten — berieseln als von Lawrow-Cocktails. Inzwischen kennen die Russen die Ukrainer doch besser, was man von den Deutschen nicht behaupten kann.


Die Ukrainer können viel Leid ertragen und Kompromisse eingehen. Für sie ist das Einvernehmen und Kooperation mit den Nachbarn kein Eingeständnis der Schwäche, sondern eine Freude. Sie freuen sich, wenn es die anderen freut. Sie haben aber auch Werte. Putin versucht sie in seiner eigenen — tatsächlicher oder erträumter — Kleinwelt über einen Kamm zu scheren. Er glaubt wohl, mit der Lektüre von Lissitschkin und Schelepin und Dugin(die die Periodizität revolutionären Umwältungen nach Sonneeruption im 11jahrestakt bemisst und Verschwörungen, insb. natürlich die von CIA mit ihrer Gehirnwäsche mittels Massenmedien, enttarnt), genug über die Ukraine und ihre Geschichte zu wissen. Die ukrainische Inakzeptanz des Unrechts, der Intoleranz, grober Gewalt und sogar der Gewaltandrohung schütteln seine ihm verbliebene Gehirnzellen und hinter dem Botox versteckte Gesichtsmuskel kräftig durch. Die Tüchtigkeit, das Organisationstalent, das Einstehvermögen, der Wille und die Entschlossenheit der Ukrainer: Woher kommt das jetzt plötzlich? So haben ihn seine Geschichtsbücher nicht gelehrt. Was er über Lenin, Stalin und sonstige sowjetische Führer berichtet, hat tatsächlich einen wahren Kern. Nur: Was Putin als deren Fehler bezeichnet, sind in Wahrheit deren Ausgeklugheiten. Lenin und Revolutionäre der ersten Stunde haben sich sowieso als Internationalisten verstanden. In der administrativen Aufteilung der Sowjetunion mit entsprechenden Befugnissen der Sowjetrepubliken, einschließlich der Zulassung und sogar Förderung der einheimischen Sprachen, wussten sie, wie man schmeichelt. Stalin, selbst ein Georgier und vormals Volkskommissar für Nationalitätenfragen, konnte den Stursinn der Ukrainer auch richtig einschätzen. Einerseits ließ er formell die Ukrainische Sowjetrepublik unangetastet, andererseits versuchte er durch immense Hungersnot und großflächige Umsiedlungen vor allem ukrainischer tüchtiger Großbauern die Bevölkerung der Ukraine massiv zu dezimieren, freilich und klugerweise, ohne diese Maßnahmen als in irgendeiner Weise gegen Ukrainer gerichtet in Verbindung zu setzen, und in der Ukraine da, wo es nötig war, vor allem in der Schwerindustrie, mit anderen Ethnien zu ersetzen. Im Übrigen versuchte Stalin während seiner gesamten Herrschaft alle mögliche kleine und große Völker in seinem Reich umzusiedeln und durchzumischen, was ihm zum großen Teil auch gelang. Also, Herr Putin, in der Brutalität können Sie sich mit Lenin und Stalin noch messen, in der Intelligenz aber ihnen das Wasser nicht reichen.


In der Ukraine ist tatsächlich eine Vakuumbombe besonderer Art gefallen: Die gesamte russische Streitmacht — bis auf Atomwaffen und Bomber — implodiert. Die russischen Armeeeinheiten rücken zwar vor, würden aber am besten alles stehen und liegen lassen, sofern es wegen Treibstoffmangel nicht von alleine stehen bleibt. Einziger Trost: Die Ausrüstung ist sowieso ärmlich. Die russischen Soldaten sind — entgegen der Behauptung der deutschen Presse — nicht erst seit gestern demoralisiert, sondern spätestens seit dem zweiten Kriegstag. Krim 2 und Georgien 2 erwiesen sich als falsche Hoffnung. Bleibt nur noch Aleppo? Sie ernten keine Blumen, sondern giftige Erdbeeren überall im Land und feilschen längst an der nächsten Operation: Wie lasse ich mich schnell und schonend in die Gefangenschaft nehmen? Welche Legende lege ich mir als Rechtfertigung?

Wenn China es gewollt hätte, wird es — wenn Putin in der Ukraine weiter wütet, das Kriegsrecht und die Totalmobilisierung verkündet — den asiatischen Teil geräuschlos einverleiben können. Kreml wird dafür dankbar sein, dass die Chinesen das Chaos verhindern und dem Kreml den Vorwand liefern, sich aus dem ukrainischen Abenteuer zurückzuziehen. Das Reich der Mitte strebt jedoch kein militärisches Engagement, zumal Russland sich freiwillig mehr und mehr in eine wirtschaftliche Abhängigkeit begibt und China mit seiner neutrale Haltung am Krieg mächtig verdient.

In Russland ist eine Vakuumbombe explodiert: Die Wirtschaft fällt gnadenlos von Stunde zur Stunde zusammen (und damit langsam aber sicher auch die Waffenindustrie). Putinscher Traum aus der Vergangenheit wird Russland in wirtschaftlicher Hinsicht in ebenjene Vergangenheit zurückversetzen. Damit sein Land nicht in die Steinzeit abdriftet und die Reparationszahlungen leisten kann, wird es einen Marshall-Plan brauchen, sonst droht eine humanitäre Katastrophe. Das einzige, was Russland noch bleiben wird, sind die Atomwaffen. Daran wird es sich festklammern. Um nicht einen gewissen Status auf der Weltbühne zu verlieren und irgendwelches Überbleibsel der Großmacht der eigenen Bevölkerung vorweisen können. Nach Putins Drohungen wäre es allemal klüger ein Status der Atommacht ohne Atomwaffen.


Aus kremltreuen Medien kann man — trotz aller Propaganda bzw. inzwischen Propagandaversuchen — durchaus einiges über die Stimmung in Russland (aus harten Fakten, indirekt und insbesondere aus Kontext&prar; erfahren. Man muss nur aufmerksam zuhören. Die Stimmung ist düster bis leicht panisch, die Reaktionen sind chaotisch bis unlogisch, der einzige Trost in den Prognosen: Noch können wir uns den Krieg leisten.

Einpaar unkommentierte Fakten und Äußerungen von Analysten aus bislang kremltreuen Medien, die durch die Zensur durchsickern:

Aberhunderte russische Unternehmen eröffnen Bankkonten in China und in Nordkorea.

Krieg dürfen wir nicht sagen, sondern militärische Sonderaktion, also sagen wir lieber militärische Sonderaktion, wenn wir vom Krieg reden.

Unzufriedenheit über die kosmetischen staatlichen Hilfe für russische Unternehmen.

Russland ist von der Weltwirtschaft abgeschnitten, wie wollen wir ohne Export von Plastikteilen aus Polen unsere Sputnik-Vakzine herstellen.

Wir haben ja noch unser Gas, hoffentlich finden wir noch genug Abnehmer.

Unsere Regierung ist unfähig. Sie hat nicht vorgesorgt. Haben wir überhaupt gut ausgebildete Ökonomen?

Ausländische Gastarbeiter (aus mittelasiatischen Republiken) verlassen scharenweise unser Land, weil sie dem Rubel nicht trauen.

Unsere Regierung hat keinen Plan. Wenn unsere Regierung nicht sofort etwas unternimmt, ist der russische Unternehmer am Arsch.

1,5 Trillionen Rubel in zwei Tagen an Bankomaten abgehoben.

Unserer wirtschaftlicher Verfall ist schlimmer als 1991.

Leere Parolen unserer Regierung. Wie hilft sie uns aber konkret?

Lange Schlangen überall. Regale sind leer. Die Menschen weigern sich, dies zu kommentieren.

Der Begriff Nazi in Bezug auf die ukrainische Regierung ist verfrüht. In der Ukraine gibt es keine Nazis, wenn schon, dann im kleinen Teil der Westukraine. Wobei der Begriff Nationalisten korrekter wäre. Nazis sind in Hitlerdeutschen zu verorten, Faschisten in Mussolinis Italien, der Begriff Denazifizierung der Ukraine ist unangebracht.

In den eroberten Ortschaften eine ukrainische Flagge durch eine russländische zu ersetzen widerspricht der Achtung des ukrainischen Volkes, das wir eigentlich von Nazis befreien wollen.

Falls das Land denazifiziert werden muss, dann müssen wir die Brutstädte von Nazis einnehmen. Müssen unsere Streitkräfte tatsächlich bis nach Lemberg marschieren?

Vielleicht sollten Experten z.B. die ukrainische Sprache lernen, um die Ukrainer besser zu verstehen.

Acht Tage Sonderoperation und Regierung meint, das sei der Plan? Hat man uns nicht eine dreitägige schmerzlose Operation versprochen?

Neues Gesetz über Massengräber? Mit wie vielen Leichen sollen wir eigentlich rechnen?

Kriegsrecht? Wir führen doch keinen Krieg, oder?

Warum sehen wir immer gleiche Bilder vom ersten Tag der Operation?

Wenn die aktuelle ukrainische Regierung aus lauten Banditen besteht, warum verhandeln wir mit ihnen?

Wenn die ukrainische Streitkräfte aus lauten Nazis und Terroristen besteht, warum bietet ihnen unser Präsident, die politische Macht an sich zu reißen?

Unsere Wirtschaft kollabiert wie ein Kartenhaus.

Nicht alle Befreiten scheinen glücklich über ihre Befreiung zu sein.

Die Nervosität in der Bevölkerung und auf den Märkten können wir nicht länger ignorieren.


Den Krieg hat die russische Propaganda angefangen. Jetzt bemüht sie sich den Krieg noch irgendwie ohne unendgültiges Gesichtsverlust und sonstigen Kollapsen zu beenden. Um eine gewisse Zurückhaltung und Umdeutung des eigenen Vokabular wird bemüht:

Mit Demilitarisierung meinen wir, dass für Russland keine Drohung besteht. Wir sind deshalb gegen NATO-Beitritt der Ukraine, weil wir nicht wollen, dass aus dem Gebiet der Ukraine Atomwaffen in Richtung Russland abgeschossen werden.

In der Ukraine darf kein Rassismus gedeihen. Wir wollen indische Studenten durch unseren humanitären Korridor retten.

Warum ist der Westen so hysterisch? Die Russen sind doch ein friedfertiges Volk. Niemand will hier ernsthaft einen Dritten Weltkrieg. Wir sollen uns alle beruhigen und an der Konfliktdeeskalation zusammen arbeiten.

Wir wollen doch nur, dass aus der Ukraine kein Anti-Russland entsteht.

Der ukrainische Präsident hat ein ausführliches Interview gegeben. Er bietet dem Präsidenten Putin offensichtlich direkte Gespräche an. Aber eigentlich sollte er sich erst mal ausschlafen, Leute, man sieht es doch…

Kurzum: Wir sind — schon wieder — vom Westen missverstanden worden.

02.03.202207

Die Ukraine, die ukrainische Armee, das ukrainisches Volk zeigen Tag für Tag ob mit oder ohne Waffe in der Hand, was Freiheit wirklich ist, was Demokratie bedeutet, was Völkergemeinschaft heißt, was europäische Werte sind. Gern geschehen.

Historiker Putin meint, das ukranische Volk — dessen Existenz es leugnet — zu kennen. Er meint echt, dass er die Ukrainier zu Sklaven machen kann wie er selbst einer ist. Er hat Bücher gelesen. Angeblich sogar Geschichtsbücher… Was für ein Esel! Lenin, den er übertreffen will, war vielmals klüger. Putin und seine Satrapen bringen eine unermessliche Schande über seine Untertanen in seinem Reich. Die Untertanen haben noch eine Chance, vielleicht die letzte, ein Volk zu werden. Das noch verhindern kann, Russisch nicht zum Synonym von Ekel zu werden.

01.03.202206

Der Bär wird beißen. Das Biest wird wüten, dass sein Opfer blutet, aber sein Leibesfleisch nicht als maulgerechte Filetstückchen abgibt. Dann wird die Bestie wieder beißen. Und wieder wüten. Dann sich auf seinen Hinterbeinen aufwackeln, um noch größer zu erscheinen. Dann wird sie all seine Zähne, all seine Klauen, all sein Gebrüll verlieren. Und während die Bestie noch feststellen versucht, dass das ganze Unternehmen doch zu zäh und zu ungenießbar geworden ist und warum sie es überhaupt in irehn Rachen stecken wollte und wie sie ihre Kauzähne ersetzen wird, wird sie durch die Weltarena am Ring vorgeführt. Sie wird sein Brudervolk, am dessen Blut er sich verschluckt hat, anbetteln, dass das Publikum sie nur mit Farb- und Stinkebomben bewirft und nicht verdrescht. Der Aggressor wird aber verdrescht. Und zwar für jedes Blutttropfen, für jedes Kind, für jede Lüge, für jede Scheiße, die aus allen seinen Körperöffnungen aus historischem, natürlichem, ebengeistigem und sonstigem Mist sickert.

28.02.202205-01

Der ukrainischer Staat hat sich in den letzten acht Jahren zu einer lebendigen Demokratie entwickelt oder zumindest auf dem besten Weg dahin: die Bekämpfung der Korruption, parlamentarische Debatten, das Vielparteiensystem, die allmähliche wirtschaftliche Erholung… Ganz sicher, nicht perfekt, aber es entwickelt sich unübersehbar. Der seit 2014 amtierende Präsident wurde — und das versteht Putin nun wirklich nicht — friedlich abgewählt und ist bis heute ein agiler Parlamentarier. Im Land ist eine politische Satire, auch in die Adresse der seit 2014 amtierenden Präsidenten, ganz selbstverständlich. Selbst der seit 2014 andauernde Krieg im Osten der Ukraine ließ das Land — zum großen Bedauern des großen Bruders — weder in das Chaos noch in die Diktatur abgleiten.

Die einstündige Ausführung des Historikers Putin quer durch alle Epochen bzw. Etappen, die für ihn entscheidend erscheinen, sind burlesk, widersprüchig, flexibel in alle erdenkliche und auch noch nicht erfundene Richtungen. Egal wie man dem inhaltlichen Teil seiner Rede zu folgen versucht: In der Konsequenz der putinschen Bravade steht Russland sehr arm und sehr klein und sehr anders da. Wörtlich. Arm an Ressourcen und Menschen, winzig am Territorium und Ökonomie, anders in der Konstitution und im Landesnamen.

Die Europäer hören zu und versuchen zu deuten: Ostukraine? Südukraine? Die ganze Ukraine? Moldowa? Belorus? Mittelasiatische und transkaukasische Republiken? Baltische Staaten? Finnland? Osteuropa? Alaska? Bosporus?… In Putins Doktrin gibt es schlicht und ergreifend keine Grenzen. Höchstens Etappen, Eroberungen, Unterjochung. Seine Doktrin ist: Nimm alles, was du kannst. Teile und herrsche. Oder besser: Nicht teile, herrsche wie ein Weltimperator, Dunkles Lord, Dark Vader.


Historiker warnen nicht selten vor historischen Vergleichen. Sie und Soziologen streiten sich darüber, wozu der Geschichtsunterricht taugt. Die einen betonen, dass man aus der Geschichte lernen sollte. Die anderen lehnen es vehement ab und befürchten die Vereinnahmung der Geschichte. Die Geschichte mag sich vielleicht nicht wiederholen. Detailliert genug werden wir es nie wissen, um astreine Parallelen zu ziehen. Alleine schon aus der Tatsache, dass es immer Zweifel bleiben, was in dem Kopf des einen oder des anderen Protagonisten vor sich geht. Man kann in die Geschichte dennoch reinblicken und den Verstand zum Einordnen von aktuellen Ereignissen anregen.

Putin liefert uns genug Parallelen und Anregungen. Dafür muss man kein Historiker sein, schon gar nicht ein Historiker wie Putin. Einpaar Lebensstationen unseres Hauptdarstellers: Der tatkräftige frische saubere und vermeintlich treue Premier des gesundheitlich eingeschlagenen Präsidenten. Die Hoffnung der Bevölkerung auf Ordnung und soziale Gerechtigkeit. Der zweite tschetschenische Krieg und Wiederherstellung der Ehre des russischen Soldaten. Fließende Machtübernahme nach Jelzins Ausscheiden. Internationale Anerkennung. Liebling der Nation, Vorbild für die Jugend, Garant der Sicherheit, Beschützer der Alten, Bewahrer des Andenkens an die Opfer des Faschismus, Schirmherr der russisch-orthodoxen Kirche, Wiederhersteller der Ordnung und des Rechts.

Die Einschwörung der Bevölkerung auf den Führer durch sein Lügenapparat. Militärische Wiederaufrüstung. Die Suche nach Vorwand und nach Schuldigen. Das böse Ausland. Das böse Ausland im Inland. Das böse Ausland, das eigentlich historisch zum Inland gehört. Die Erfindung einer neuen Maskenfigur im Aufgebot der commedia dell'arte: Ich präsentiere il Russo, la figura molta trista e in molta pericola, offen für alles, universell einsetzbar, stellt keine Fragen, vom Werk frei von ethnischer und sonstiger Zugehörigkeit, überhaupt frei von Gedanken, der Trichter zum Eingießen jeder Art von alternativen Wahrheiten bereits im Lieferumfang, reagiert auf Zuckerwatte und Knüpel, funktionsfähig auch ohne Rollenbesetzung. Aber zurück zum eigentlichen Drama: Von der Weltgemeinschaft weitestgehend unbestraft quittierte Territorialgewinne auf Kosten der Ukraine, dank theatralischer pericola per il Russo (Nuovo). Olympische Winterspiele im Zeichen des Friedens und Völkerfreundschaft. Spekulation auf Uneinigkeit des dekadenten Westens mit seinen partikulären Interessen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten. Vermeintliche Verhandlungsbereitschaft und Friedensangebote, die nur dafür dienen, den Krieg den anderen in die Schuhe zu schieben und gegenüber den eigenen Konsumenten zu rechtfertigen. Der große Führer, Großfürst und Großkhan habe den Krieg natürlich nicht gewollt, man habe seinen gerechten Zorn provoziert. Seit 4 Uhr — auch die Uhrzeit des Überfall Hitlers auf die Sowjetunion — wird zurückgeschossen. Schließlich das Drohgebärde mit dem totalen Krieg. Und nun auch Versuche einen Separatfrieden zu unannehmbaren Bedingungen zu erpressen.


Es gibt auch eine banale Dimension in Putins Pathologie. Putin braucht seine Vollstrecker, seine Sklaven, sein Kanonenfutter, seine Feindbilder, seine Ja-Sager und seine Doofen. Für ihn ist das Menschenmaterial ein Mittel zu seinem persönlichen Zweck.

Putin ist kein Beschützer des Vaterlandes. Schon gar nicht der Wiederhersteller der historischen Schmach. Er ist kein Patriot. Er ist nicht mal ein Nationalist. Das Schicksal des russischen Volkes, das Schicksal von Russland samt seiner Geschichte ist ihm zutiefst egal. Er stürzt das russische Volk so oder anders ins Unglück. So wie Hitler gegen Kriegsende den Deutschen den Status der Herrenrasse entzieht, prüft Putin, ob Russland seiner Wahnvorstellungen würdigt ist.

Putin ist kein Bekämpfer der Korruption, sie darf nur nicht neben seiner Staatskorruption existieren. Er duldet Oligarchen, solange es seine Oligarchen sind. Er stellt nur jene Tschetschenen auf dem Klo kalt, die nicht seine Tschetschenen sind. In Gegenteil, in der Auswahl seiner Janitscharen ist der Sultan gerne ein Internationalist. Damit seine Hunde (Kadyrows Liebeserklärung an Putin klingt wie aus dem Maul eines sprechenden Hundes geschnitten), seine Opritschniki, seine Lakaien weder die Angst vor ihm verlieren noch ihm untreu werden, mischt er sie ab und zu durch und beauftragt mit Aktionen, wo sie sich öffentlich auf Gedeih und Verderb an ihn binden müssen.

Sein Angebot an die ukrainische Armee, ihren Präsidenten und ihr Land zu verraten, verrät bereits im Ton und in der Wortwahl die Lesart:

Ihr — meine neue Hunde — beißt ihren alten drogensüchtigen und somit schwachen Herr tot. Danach ziehe ich, euer mächtiger Gebieter, nach dieser Säuberungsaktion in meine neue Residenz ein. Ihr, meine frischgebackene Opritschniki, dürft mir treu ergeben und skrupellos sein, eure Hundehütten behalten, für mich beißen und für euch abbeißen und werdet dafür in meinem Hunderudel genug Fleischknochen bekommen. Putin hat nicht mal verstanden, dass er nicht zu hörigen Hunden spricht, sondern — wenn schon — zu freien Wölfen. Putin nimmt gerne in Kauf, dass nicht alle alte Hunde über diese Offerte des Sultans freuen würden. Die alte Garde hat im Krieg gegen die Ukraine schon jetzt versagt. Vielleicht sollte man die alten gegen die neuen austauschen? Oder es dem Rudel überlassen: Möge jener mit den schärfsten Zähnen und gehorsamsten Gehirnlappen gewinnen…

Er bemächtigt sich jenes Volkes, jener Geschichte, jenes Menschenmaterial, jener Ideologien, die ihm im Augenblick nutzen. Die Auslebung dieser Einstellung bietet ihm ein Halt im Leben. Ohne sie ist er verloren wie ein Sandkastenbube, der merkt, dass er ganz allein ist, und verzweifelt seine Mama sucht. Er glaubt, seine Mama liebt ihn nicht und wird ihn erst als sein Söhnchen wiedererkennen, wenn er seine Stärke demonstriert. So wie viele Kinder in seinem Alter braucht er einen Lutscher, damit er sich beschäftigt und beruhigt.

Putin ist ein Gassenjunge, ein Schlägertyp aus der Petersburger Unterwelt geblieben, der seine Opfer, seine Gang, seine Willkür braucht. Er sucht ständig nach Anerkennung und zwar durch immerwährende Gewalt(aus)übung. Für ihn bemisst sich die Anerkennung in der Anzahl seiner Opfer, Respekt — in der Blutmenge aus gewonnenen Kämpfen. Die Ehre kennt er nicht. Die Bereitschaft zur Gewaltanwendung mit maximaler Brutalität und Rücksichtslosigkeit ist sowohl ein Test wie Notwendigkeit. Er ist ein Mafia-Boss, der höchstens bereit ist, mit anderen Großbossen das Revier zu teilen. Aber auch diese Aufteilung unter sich ist ihm auf Dauer unerträglich. Mit seiner Lava will er den kompletten Sandkasten markieren.

Ohne all dies hat er Angst, sich in der Luft aufzulösen. Putin ist ein Pubertär geblieben. Für ihn ist die Welt der große Sandkasten, den er wie ein trotziges Kind nur für sich allein beansprucht. Lediglich seine Sklaven dürfen für ihn im Sand wälzen.


Trotz all des Leides, das die Ukrainer und ihr Land derzeit erfahren müssen, leidet ein weiteres Volk nicht minder unter Putins Regime und Folgen seiner Annexionen. Das sind die Russen selbst. Und damit meine ich nicht mal die umgekommenen Soldaten und Wirtschaftssanktionen.

Ein Russe zu sein, ja, Russisch zu sprechen ist ein denkwürdiges folgenschweres Privileg. Putins Propaganda unterscheidet ohnehin nicht zwischen russischer, russischsprachiger und orthodoxen Bevölkerung. Es sei denn, sie unterscheidet es. Im Heiligen Russland wird alles, was der Propaganda zum gegebenen Zeitpunkt nutzt, utilisiert: Begriffe wie russische Welt, russische Gesinnung, russische Wahrheit werden regelrecht und gerne diffus und damit beliebig erweiterbar entheiligt.

Praktisch jede Person in jedem Land kann unverhofft zum Russen erklärt werden, den es vor äußeren Feinden, von fremden Einflüssen, vom ketzerischen Glauben zu verteidigen gilt. Nicht nur eine Person, auch Luft kann diese Rolle übernehmen. Welche Vorteile erntet eigentlich der Russe für seine Vollpensionbehütung? Schrecklich ermunternde Zurufe &aagule; la Du gehörst zu uns, du bist ein Russe, den Stolz auf die Eroberungskriege des Oberrussen im Kreml und eine Karte von Eurasien, wo man die sieben Zeitzonen und große Waldmassive uneingeschränkt oft mit den mickrigen europäischen Staaten vergleichen darf. Und wenn dem glücklichen frischgebackenen Neurussen die Umarmungen des Kremlherrschers zu eng werden, da kann man sich doch theoretisch im großen Sibirien verstecken. Oder in den Steppen von Neurussland. Gehört zwar alles dem Zar, er schaut aber nicht immer genau hin. Besonders dann nicht, wenn er gut gelaunt ist. Der Leitgedanke der russischen Idee: Dem Zar territoriale Gewinne zu verschaffen, für seine gute Laune zu sorgen, in der Hoffnung, sich auf seinem riesigen Territorium von ihm verstecken zu dürfen. Bis man gefunden wird.

Hitler und sein Großdeutsches Reich hat seinerzeit den Deutschen und beinahe der deutschen Sprache die Stigma geschafft, die jetzt Putin und sein Großrussisches Imperium für Russen und russischsprachiger Community, wo sie auch immer in der Welt sind, anstrebt. So wie Kant, Goethe und Thomas Mann den Ruf der Deutschen und der deutschen Sprache retten mussten, werden Lomonossow, Puschkin und Viktor Jerofejew für die Russen und russische Sprache einstehen müssen.


In den ersten Kriegstagen hat die deutsche Politik gehofft, sauber und unbefleckt aus dem europäischen Krieg rauszuhalten. Mit seiner (Nicht-)Haltung, mit seinem Abwarten auf Besetzung der Ukraine durch Okkupanten, mit der Vorliebe zum Überraschtsein hat Deutschland, das ansonsten an kleinkarierten Belehrungen in die Adresse von östlichen und südlichen EU-Nachbarn in Sachen Demokratie und Menschenwürde nicht spart, eine Schande innerhalb der europäischen Gemeinschaft und NATO-Allianz über sich gebracht. Der Lehrmeister hat sich ausgeleert.

Die deutsche Haltung hat sich zunächst auf Empathiebekundungen eingeschränkt, denen eine Komponente der Ehrlichkeit fehlte. Die Entzückung über den ukrainischen Widerstand und die Opferbereitschaft verhallt wie ein Trauerlied über das sagenumwobene untergegangene Volk, das sich tapfer dem Imperium stellte. Die Würdigung des ukrainischen Kampfgeistes klingt wie ein Refrain einer unterschwelligen Bitte, jetzt doch bitte mit dem heldenhaften aber unsinnigen Quatsch aufzuhören.

Während die europäischen Staaten zur Verblüffung des politischen Berlins, das in der Phase der allgemeinen Bestürzung über Putins berechenbare Unberechenbarkeit stecken blieb und die Schockwelle prolongierte, nicht auf die Entscheidung des wirtschaftsstärksten EU-Mitglieds warten und ohne Wenn und Aber eine konkrete auch militärische sofortige Hilfe leisten, kalkuliert die Bundesregierung, ob die durch die Lippen der deutschen Politiker so oft munter fließende Werte der europäischen Gemeinschaft es wert sind und wieviel. Während die ukrainischen Bitten mit hehren, beinah peinlichen Lobpreisungen des ukrainischen Kampfgeistes abgespeist werden, wettet die Bundesregierung auf den Sieg des Aggressors. Die deutsche politische Führung versteckt sich plötzlich ausgerechnet hinter Viktor Orbán. Und wird von Orbans Bekundung zur uneingeschränkten Solidarität mit den EU-Sanktionen gegen Russland kalt erwischt.

Die 5000 Helme, die am vierten Kriegstag die Ukraine erreichen. Die Botschaft an den ukrainischen Botschafter beim Kriegsausbruchs, es mache keinen Sinn, in die ukrainische Armee zu investieren, da sie doch womöglich schon in wenigen Stunden zu existieren aufhört. Die berühmt-berüchtigte Enkeltochter, die das SWIFT nötig hat, um an ihrer armen russischen Oma ein bisschen Geld aus Europa überweisen zu können… Hoffen wir, dass die Satire im In- und Ausland diesen Stoff schnell abhackt.

Deutsche Politiker haben sich ihre selbstgerechte Entschuldigung in vermeintlich selbstreflektierende Wohlworthülsen zurecht gelegt und mit dem Interpretationsmonopol belegt: Mit dem Verweis auf die besondere historische Verantwortung ziehen sie sich aus der alltäglichen historischen Verantwortung zurück. Es sei denn, es nutzt dem Geschäft.

Erst die uneingeschränkte und vor allem tatkräftige Solidarität in erster Linie osteuropäischer und baltischer Staaten, die übrigens wirtschaftlich von Russland noch abhängiger sind, aber auch rund um den Globus, und insbesondere die Entschlossenheit und der Klartext des polnischen Präsidenten, die Emsigkeit des polnischen Premiers, der Sturheit des ukrainischen Botschafters beendet das deutsche Versteckspiel. Die deutschen Strategen, die gerne alles besser wissen wollen, werden es wohl kaum über sich bringen können, dies anzuerkennen. Auch nicht den Umstand, dass die an Russland grenzende Staaten, einschließlich Ukraine, Putins Machtbesessenheit weitaus besser einschätzen, sein Kalkül durchschauen und auf deren Folgen bestens vorbereitet sind.

Die aktuelle deutsche Wende zeugt (noch) nicht von einer Überzeugung. Es sieht eher nach einer Flucht aus der drohenden europäischen Isolation aus. In etlichen Talk-Shows lobpreisen deutsche Politiker die neugewonnene europäische Einigkeit, entzücken sich an neuen Erkenntnissen, verkaufen kleine Schritte für große Wende, zählen den Schaden, die der russische Wirtschaft mittel- und langfristig (auch da verkalkulieren sich die deutschen Analysten — Russland wird sehr sehr schnell Schmerzen verspüren) zugefügt wird, üben sich in übertriebenen Warnungen vor eigenen wirtschaftlichen Nachteilen, verwechseln Ankündigungen mit Taten, feiern sich selbst und den ukrainischen Heldenmut. Und sind konsterniert und fast schon beleidigt, wenn die Ukraine statt dem deutschen Politikwechsel feierlich ausgiebigst entgegenzufiebern, um mehr praktische Hilfe bittet. Okay, dann bekommt Herr Melnyk, der eigentlich dies live erlebte, noch mal den Videoschnitt der stehenden Ovationen im Bundestag zum rührenden Mitweinen. Merkt er denn den Politikwechsel nicht? Scheint doch nicht zu klappen. Der Mann ist nicht weich zu kriegen. Wie wäre es mit den Kölner Jecken mit den Friedenstransparenten und lustigen Karikaturen? Der Mann scheint auch keinen Sinn für rheinischen Humor zu haben. Stattdessen benimmt er sich so, als wäre er der Botschafter eines souveränen bestehenden Staats.

Nun, jetzt schickt das deutsche Kabinett doch Waffen auf den Weg. Ein bisschen. Schließlich ist Deutschland keine so große Militärmacht wie z.B. Tschechien oder Finnland oder Dänemark. Bzw. verspricht es. Deutsche Strategen wundert sich zugleich, warum die Russen in ihrem Blitzkrieg es nicht schaffen, den Landweg in die Ukraine noch vor dem Eintreffen der deutschen militärischen Hilfe zu unterbinden.

Man könnte fast meinen, deutsche Regierung braucht einen externen Lebensbetreuer. Diese Fehleinschätzungen — gehen wir dem Weltfrieden zuliebe davon aus, es handelt sich lediglich um Fehleinschätzung und nicht feiges Kalkül — und manches Wunschdenken ist nicht überraschend: Deutsche Kabinettsmitglieder wundern sich nicht nur über den Kriegsverlauf. Freilich werden sie es nicht zugeben, schon gar nicht nach solchem politischen Druck und angesichts jüngster Ereignisse: In ihrer Eitelkeit und Wahrnehmung von ausschließlich Global Players wundern sie sich bereits über die Verteidigungs- und Opferbereitschaft der Ukrainer gegen die vermeintliche Übermacht. Ja, mancher Deutscher entdeckt für sich erst jetzt die Existenz der ukrainischen Nation, die mehr als ein folkloristischer Ableger eines Russen ist, wer hätte das bloß gedacht… Der Stursinn des ukrainischen Präsidenten scheint den deutschen Nachrichtendiensten unlogisch. Für sein Einstehen für die Wahrheit finden sie keinen Wechselscheck. Molotow-Cocktails, Häuserkampf, Selbstverteidigungsbrigaden in eigener Regie, und obendrein gegen die größte europäische Armee — ist das heutzutage überhaupt noch möglich!? Selenskyjs direkte Appelle an die Weltöffentlichkeit aus dem Kriegsgebiet — ohne Absprachen mit uns!? Die Ukrainer haben die alte Blockteilung der Welt überwunden und sich dem europäischen Weg verschrieben. Deutschen Politikern dagegen kommt diese Reform zu schnell.

Deutsches Engagement ist halbherzig, lauwarm, spekulativ, kompliziert und gerne träge, oder — wie der deutsche Mandatsträger es ausdrücken würde — umsichtig und wohlüberlegt. Ich bin auf nächste deutsche Opfer und Angebote gespannt. Vollständige kompilierte redaktionell überarbeitete kommentierte Übersetzung Taras Schewtschenkos Werke vielleicht? Oder eine Sonderanfertigung der ukrainischen Flagge mit dem putzigen Bundesadler in der Ecke als Zeichen der Verbundenheit? Oder die Bundesregierung rollt gleich das schwere Geschütz auf. Nicht das Geschütz natürlich, sondern die Einrichtung des Arbeitsbereichs Ukrainistik am Historischen Seminar an der europäischen Viadrina-Universität mit Schwerpunkt Deutsche besondere Verantwortung… Das ist keine Strategie. Das ähnelt einer Wette.

Deutsche Politiker reden immer wieder von der moralischen historisch bedingten Verantwortung Deutschlands. Wie wäre es mit dem praktischen aktuellen Handeln der Bundesrepublik? Jenes muss auch nicht besonders begründet sein. Es reicht, wenn es menschlich ist. Es reicht der gesunde Menschenverstand. Der Mut und das Vermögen, sich von der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien, tun es auch. Die anderen Völker schaffen es mit oder ohne Lehre aus der Geschichte. Aber wenn die Deutschen erst eine Ballung von Selbstreflektionen über die eigene Geschichte brauchen, dürfen sie ihre Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg für sich selbst auffrischen. Hauptsache, es bleibt nicht nur bei langen Reflektionen. Es ist Zeit, Farbe zu bekennen.

Wladimir Klitschko appelliert in seiner kurzen Videobotschaft: Handeln Sie jetzt! Jetzt muss man handeln! Jetzt! Die Ukrainer kämpfen für ihre und unsere Freiheit. Krim ist die Schande des Münchener Abkommens von 1938. Putin ist dennoch nicht gelungen, sein Sudentendeutschland kampflos heim ins Reich zu holen und die Ukraine als Resttschechei abzuwickeln. Stattdessen sind beide sogenannte Volksrepubliken zu seinem Danzig geworden. Kyjiw 2022 ist Warschau 1939. Mariupol 2022 ist Leningrad 1941. Charkiw 2022 ist Stalingrad 1943. Wir müssen uns von der Appeasement-Politik ein für alle Mal verabschieden. Statt Zuspruch, moralischen Beistand und Bewunderung braucht die Ukraine Taten. Und seien wir ehrlich: Solidaritätsbekundungen und Verurteilung deutscher Aggression hat 1939 vielleicht dem polnischen Kampfgeist einkleinwenig gutgetan, aber die de facto Nichteinmischung, das Pourqoui mourir pour Dantzig? hat Hitler erst seine Blitzkriege und das Massensterben und eben nicht nur polnische Fluchtströme und Krieg in Europa ermöglicht. Für ökonomisch Besorgte sei an dieser Stelle gesagt: Richtig teuer wird der Krieg erst durch die falsche Sparsamkeit von Desinteressierten Nachbarn.

Die Menschen in und außerhalb Deutschlands auch 80 Jahre danach fragen sich, wie war Hitler eigentlich überhaupt möglich. Die Historiker streiten sich über den Anfang vom Ende des Hitlers-Regimes, über die Verflechtungen und den Grad der Überzeugung von Hitlers Entourage, über den Ausmaß der Mitwisserschaft, Mittäterschaft, Mitverantwortung und auch des Nichtwissen(wollen) der damaligen deutschen Bevölkerung. Die Welt fragt sich immer noch, wie konnte es soweit kommen. Warum hat man Hitlers Lügen lange geglaubt, sich beschwichtigen ließ und seine Nimmersatt-Annexionspolitik lange Zeit hinnahm, obwohl er seine wahre Ziele kaum vertuschte. Stattdessen wedelt Neville Chamberlain mit Hitlers Unterschrift, meint, den Frieden gerettet zu haben, erklärt Hitlers Ambitionen als berechtigtes Sicherheitsbedürfnis, als lokales Nachjustierung von Staatsgrenzen innerhalb der historisch deutschen Länder, als Korrektur des ungerechten Versailler Vertrags. Dass der Wahnsinn damit nicht aufhörte, sondern erst begann, zeugen unschuldige Opfer und Flüchtlingsströme.

Putin und sein Mussolini in Minsk müssen gestoppt werden. Dank Putin und Lukaschenko haben sich Vokabeln Genozid, Nazi, Brudervolk oder berechtigte Sicherheitsinteressen abgenutzt. Übrigens, obwohl mitnichten ein Putinverehrer und auch kein Irrer hat der Minsker Fürst völlig vermeidbar sein Land verraten. Er schwadroniert gerne über Brüdervölker. Er vergisst dabei, dass die Fürsten-Brüder sich im Kiewer Rus gerne aushalfen, um anschließend des Bruderbesitzes auf hinterhältige Art zu bemächtigen. Apropos Besitz: Nach seiner Rede beurteilend bekennt sich der russische Zar offen zur territorialen Umverteilung nach einem kulturellen geistigen russischen orthodoxen Prinzip. Er will Russland in das Jahr 1654 zurückversetzen. Er will Lenin und damit auch das Revolutionsjahr 1917 und den Bürgerkrieg korrigieren. Dem Historiker Putin ist wohl nicht bewusst, dass er damit die Integrität seines eigenes Landes gefährdet. Selbst der Literat Adolf Hitler hat sich in seinem Bestseller in dem Punkto eine schlüssigere Ideologie zurecht gelegt.

Despoten interessieren sich jedoch nicht für Geschichte, höchstens für Sagen und Mythen. Sie vergewaltigen das eigene Volk, genießen seinen Dank für epochale Fantasiekonstrukte und befriedigen sich mit dem Gedanke, die Welt in Atem zu halten. Sie kennen keine Ehre. Sie konstruieren sie für die Pfaffen. Diktatoren werden nicht geboren. Sie werden ermöglicht. Das ist keine Lektion aus der Geschichte, das ist das Vermögen, sich seines Verstandes zu bedienen.